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Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)

Titel: Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Meyer zu Kueingdorf , Michel Ruge
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Wut darüber, nicht anerkannt zu sein. In mir reifte der Wunsch, etwas aus meinem Leben zu machen, nach neuen Wegen zu suchen. Ich wollte respektiert werden. Die neuen Kleider waren der erste Schritt. Auch wenn ich es noch immer cool fand, mit meiner Bomberjacke und meiner Gang durch den Kiez zu laufen.

20 Raus aus der Gosse!
    F ritz hatte Geburtstag. Er wurde siebzehn. »Hey, Aller«, sagte er am Telefon, »ich hab ’nen Tausender von meinen Eltern bekommen. Den müssen wir platt machen. Bissu dabei?«
    Einen Tausender platt machen war besser als einen Typen plattmachen. Wir gingen schick im »Cuneo« essen, wie die Paten von St. Pauli. Danach ging’s ins Top Ten, wo Fritz sich die teuersten Cocktails gönnte.
    »Aller! Mir is langweilig«, beschwerte sich Fritz irgendwann. »Ich kann ja nich alles versaufen. Ich hab ’ne Idee.«
    Wir verließen das Top Ten. Die Sonne schien grell, und auf der Meile war die Hölle los. Angetrunkene Touristen, singende Männergruppen. Die Nutten hatten freie Auswahl. Fritz gab die Richtung vor: auf die Reeperbahn. Er stand unter Strom, der Alkohol kochte in uns. Ich kapierte, wohin er wollte – in den türkischen Waffenladen. Fritz stürmte hinein, ich hinter ihm her.
    »Wir wollen jemanden umbringen!«, schrie er. »Ich will alle Shuriken und ’n paar Messer und Knüppel!«
    Der Verkäufer schien eingeschüchtert zu sein. Offensichtlich verstand er unseren Humor nicht.
    »Ja, kein Problem«, stammelte er. »Ich sage nix der Polizei.«
    »Was kosten die Wurfsterne?«, fragte Fritz.
    »Acht Mark das Stück.«
    »Wir nehmen zehn.«
    Fritz legte das Geld auf die Theke, nahm die Sterne und das Wechselgeld. Wir verließen den Laden.
    »Scheiße, Aller«, raunte Fritz. »Der hat uns die Sterne verkauft, obwohl er wusste, dass wir einen umbringen wollen. Krass. Es gibt echt böse Typen.« Wir lachten.
    »Ich brauch was zum Schnuppern, Michel! Komm.« Wir liefen zum S-Bahnhof. In der Unterführung besorgte Fritz seinen Stoff. Grinsend kam er auf mich zu. Ich hatte am Eingang gewartet.
    »Aller! Hier, Pulver für 600 Mark!« Er hielt mir ein Päckchen unter die Nase.
    »Wenn du meinst?«, murmelte ich. Doch das hatte Fritz schon nicht mehr gehört. Er lief die Treppe hinauf. Kaum war er oben angekommen, stürzten sich vier Typen auf ihn – Zivis!
    »Haben wir dich, du Penner!« An mir hatten sie kein Interesse: »Nee, du nich. Der hat doch das Koks und die Sterne gekauft, oder wills du ’n paar in die Schnauze?«
    Die Zivis führten Fritz in Handschellen zur Davidwache. Ich hinterher. Fritz stolzierte wie John Dillinger über die Reeperbahn, begleitet von den Blicken der Leute. Ich trottete hinter den Zivis her. Wie sich herausstellte, hatte der türkische Waffenhändler doch die Schmiere gerufen, weil er einen Mord verhindern wollte. »Dein Freund hat sich Watte andrehen lassen«, sagte ein Beamter mit einem Schnauzer und einem dicken Bauch zu mir. Dann legte er die Tüte, die Fritz von dem Dealer bekommen hatte, auf die Theke. Tatsächlich. Lauter kleine Wattekügelchen – für sechshundert Mark.
    Dann begann die Fritz-Show. Er schrie durch die ganze Wache. »Wisst ihr eigentlich, wer ich bin?« Er schrie und schrie. Ich musste lachen, obwohl das alles überhaupt nicht komisch war. Vor ein paar Jahren hatte Fritz noch gewusst, dass er Blödsinn redete. Nun war ihm gar nicht mehr klar, wann er etwas ernst meinte und wann nicht.
    »Ich bin ein Kubiczek!«, schrie er.
    Die Polizisten sahen sich ratlos und leicht amüsiert an, einer zuckte mit den Schultern. »Aha, ein Kubiczek. Dann gratulieren wir aber.«
    Trotz Handschellen baute sich Fritz schlagartig vor dem Beamten auf. »Was hast du Fotze gesagt?«, brüllte er und wollte ihm einen Kopfstoß verpassen.
    Ruck, zuck warfen sich drei Polizisten auf ihn, packten ihn und rissen ihn zu Boden.
    »Du wartest mal«, sagte ein Beamter zu mir. »Kannst deinen Freund gleich wieder mitnehmen.« Sie brachten ihn in eine Zelle.
    Wieder mitnehmen?, dachte ich. Ich setzte mich auf eine Bank, neben mir eine Frau, wahrscheinlich eine Nutte. Ihre Arme waren übersät mit blauen Flecken, im Gesicht prangte ein Veilchen.
    Eine Tür ging auf. Zwei Beamte brachten einen Typen in Lederjacke herein, der fluchte und schimpfte. In der Davidwache war immer was los.
    Dann sah ich Fritz. Er ging gebeugt, hielt sich den Bauch. Er hustete.
    »Hier, den kannst du wieder mitnehmen. Hat ja schließlich nur Watte gekauft. Die Sterne vergessen wir mal.«
    Ich

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