Bordsteinkönig: Meine wilde Jugend auf St. Pauli (German Edition)
einen Gefallen zu erweisen. Vierhundert Mark sollte ich für den Job bekommen.
Wir bogen in eine kleine Straße ein, die rechts und links mit Einfamilienhäusern gesäumt war. Nach ein paar Metern hielten wir an und stiegen aus.
»Michel! Du bleibst bei den Autos. Klar?« Tom legte plötzlich einen ziemlich rauhen Ton an den Tag.
Die Truppe verschwand im Haus. Es war still. Ich achtete auf jedes Geräusch. Dann öffnete sich die Haustür. Tom, der Geschäftsmann und die drei anderen kamen auf mich zu. Alle schwiegen. Ich konnte die Anspannung spüren. Offensichtlich hatte es dicke Luft gegeben. Allmählich wurde mir klar, dass das hier ein Spiel für große Jungs war. Ich wollte gar nicht erst wissen, worum es eigentlich ging. Wir stiegen ein, fuhren los. Nach etwa zehn Minuten steuerten wir einen Parkplatz an. Zusammen mit Tom blieb ich im Auto. Ich beobachtete die Jungs und den Geschäftsmann. Irgendwas wurde da bequatscht. Einer von den Starken kam zum Wagen, öffnete die Tür.
»Hier, Kleiner.« Er drückte mir meinen Lohn in die Hand. »Danke und tschüss. Gute Arbeit.«
Mit den vierhundert Mark in der Tasche lief ich zu Fuß nach Hause. Ich hatte schnelles Geld gemacht. Aber es war noch lange nicht genug für den Urlaub in Jugoslawien.
Wladimir kam auf einen Schnack vorbei. Er erzählte, dass sich die Kommune auflösen wolle, weil sie ständig von der Polizei überwacht wurde. Als ich ihm von meiner Geldnot erzählte, hatte er eine Idee: »Pass auf. Die Kommune hat so viel Drogen: Koks, Hasch, LSD, einfach alles. Wenn wir das Zeug verticken, hast du genug Kohle.« Er wusste genau, in was für eine verdammte Zwickmühle er mich damit brachte. Ich war absolut gegen Drogen und auch gegen das Dealen. Aber er hatte recht, es war ein schneller und einfacher Weg, um an Geld zu kommen. Außerdem würden wir der Kommune helfen, die Drogen loszuwerden, so dass die sie nicht nehmen mussten. Keine gute, aber auch keine schlechte Tat. Es erstaunt mich noch heute, aber ich nahm mir diese faule Ausrede selbst ab.
»Gute Idee, Wladimir!«, rief ich. Wir liefen los. Obwohl keiner der Kommunarden zu Hause war, schlichen wir wie Einbrecher auf Zehenspitzen durch die Wohnung und flüsterten. Wir durchsuchten die Zimmer derjenigen, bei denen Wladimir Drogen vermutete. Und tatsächlich: »Hier!« Wladimir griff in eine Tüte und hielt mir eine braune, ölige Platte entgegen. »Riech dran!«
Ich steckte meine Nase an die Platte. Kein Zweifel.
»Wladimir! Wir haben das Hasch gefunden. Was wir wohl dafür bekommen?«
Keiner von uns hatte Ahnung, was das Zeug wert war. In der Tüte waren etwa fünfzehn Platten.
»Lass es uns einfach verkaufen. Wir werden sehen«, sagte Wladimir.
Wir machten uns auf den Weg zum Spielbudenplatz. Dort – nicht weit von der Davidwache – gab es die meisten Dealer. Allerdings waren die eher daran interessiert zu verkaufen, als zu kaufen. Vor dem »Bendula« hielt ich einem der Typen eine Platte unter die Nase und fragte: »Hey! Was kostet so was bei euch?«
Er sah mich völlig entgeistert an:. »Junge! Was willst du?«
»Na ja, ganz einfach«, antwortete ich. »Ich will wissen, was ich bekomme, wenn ich so eine Platte verkaufe.«
»Willst du mich verarschen?«
Wieder etwas gelernt, dachte ich. Wir machten die Fliege. Hier war kein Geld zu machen.
Ich rief Fritz an. Der kannte sich schließlich mit Drogen aus. Wir trafen uns in der Nähe der Reeperbahn. Ich zeigte ihm die Tüte.
»Aller! Weissu, wie viel das is?« Natürlich hatte ich keine Ahnung, sonst hätte ich ihn ja nicht angerufen.
»Wir fahrn zu mir!«, befahl Fritz. Auf der Waage im Badezimmer wogen wir das Zeug.
»Fast zwei Kilo«, rief Fritz freudig. »Aller! Ganz schön viel. Da bekommse ordentlich Schotter für.«
Aber wer würde mir das Zeug abkaufen? Bei den Champs und auch sonst auf der Straße wussten alle, dass ich Drogen hasste. Das sollte auch so bleiben, von denen kam also niemand in Frage.
»Ich ruf einen Freund an«, schlug Fritz vor. »Der hat immer Bedarf.«
»Komm mal bei mir vorbei, Aller«, sagte Fritz ins Telefon. »Und bring mal ’nen Haufen Kohle mit.«
Der Typ rückte an. Er begutachtete die Platten fachmännisch. »Scheint guter Stoff zu sein.«
In der Zwischenzeit drehte Fritz einen Joint aus dem Zeug, machte ihn an und reichte ihn an seinen Bekannten weiter. »Gutes Zeug, Aller«, murmelte Fritz.
Der Typ kramte ein Bündel Geldscheine aus seiner Jackentasche. »Hier. Dreitausend!« Er drückte
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