Borlik, Michael - Scary City 3 - Der Bezwinger der Dämonen
Der helle Wahnsinn.
Lucy zerrte ihn zum Bett, damit sie sich setzen konnten. »Und jetzt erzähl mir noch einmal die ganze Geschichte von Anfang an. Vorhin am Telefon hat das alles so verwirrend geklungen.«
Mats blickte auf die Uhr. Es war kurz nach sieben. Lucy, die normalerweise auch im Hotel aushalf, hatte heute wegen eines Zahnarzttermins freigehabt. »Es war wirklich keine große Sache.« Er winkte ab. »Der Ork ist nicht einmal tot. Kysel - also Mr Myrddins Steingnom - sagt, dass er sich bei dem Sturz mit seinem eigenen Schwert k.o. geschlagen hat.«
»Komm schon, das kannst du besser!« Lucy knuffte ihn am Arm. »Bei dieser Sache ging es um Leben und Tod.«
Na gut, wenn Lucy darauf bestand. Also erzählte Mats ihr noch einmal ganz ausführlich von Tol' Shaks monstermäßigem Schwert und den Wurfmessern, die ihn fast skalpiert hätten. Dabei ließ er es sich nicht nehmen, die Geschichte hier und da ein wenig auszuschmücken. Wenn Lucy Action wollte, sollte sie sie auch bekommen. Als Mats zum Ende kam, war ihre anfängliche Begeisterung einem Stirnrunzeln gewichen. »Dir ist schon klar, dass die Hotelzimmer im Greifenhall höchstens drei Meter hoch sind«, sagte sie. »Der Ork kann unmöglich dreineunzig groß gewesen sein.«
»Okay, okay, dann war er eben ein bisschen kleiner, aber deswegen war er nicht weniger gefährlich.« Dass Mädchen aber auch gleich jedes Wort auf die Goldwaage legen mussten. »Was ist mit heute Abend? Kommst du mit?«
»Du machst Witze, oder?«, platzte Lucy heraus, »ich werde diesem Richie höchstpersönlich den Hals für das umdrehen, was er Tic angetan hat. Dieser Mistkerl! Wie kann man sich nur an Schwächeren vergreifen?«
»Das ist das Problem mit den bösen Jungs. So etwas ist denen scheißegal.« Mats stand auf. »Wenn du mal kurz wegschauen würdest, tausche ich die Pagenuniform gegen normale Klamotten. Dieses Teil ist echt unbequem.«
»Wem sagst du das?!« Lucy wandte das Gesicht der Wand über dem Bett zu, wo ein Filmplakat hing, auf dem ein insektenartiges Raumschiff gerade Los Angeles in Schutt und Asche legte.
Mats schlüpfte aus der Uniform und griff nach seiner Jeans, die über dem Schreibtischstuhl hing.
»Hübsche Unterhose«, sagte Lucy hinter ihm.
»Hey.« Mats wirbelte herum und stellte fest, dass Lucy noch immer auf das Plakat starrte. Allerdings bebte ihr ganzer Körper, als unterdrücke sie ein Lachen. »Sehr witzig«, grummelte er.
Mats hatte den ganzen Nachmittag lang darüber gegrübelt, welche Ausrede er seinen Eltern präsentieren sollte, um zu erklären, dass er die halbe Nacht unterwegs sein würde. Dass er vorhatte, sich mit einem Dhampir zu prügeln, konnte er ihnen schlecht auf die Nase binden. Außerdem waren sie inzwischen ziemlich misstrauisch, was seine Ausreden anging. Genauso wie Lucys Vater. Am Ende entschieden Mats und Lucy sich für die einzige Möglichkeit, die ihnen noch blieb: Sie würden sich einfach heimlich davonstehlen und mit der Strafe klarkommen müssen, die sie nach ihrer Rückkehr erwartete. Wenn sie dadurch das Leben ihres Freundes Tic retten konnten, war es ihnen das in jedem Fall wert.
»Feind im Anflug«, keuchte Lucy und zog Mats hinter die Standuhr im Foyer des Hotel Greifenhall. Dort warteten sie ab, bis die Frau mit der Turmfrisur und den knallrot lackierten Fingernägeln an ihnen vorbeigefegt war.
»Puh, wenn Mum uns gesehen hätte, wäre eine Erklärung fällig gewesen.« Mats versicherte sich, dass sein Vater nicht in der Nähe war, dann spurteten die beiden zur Tür, die ihnen von einem freundlich lächelnden Portier aufgehalten wurde.
Mehrere Taxis warteten in der Parkbucht vor dem Greifenhall, um Kundschaft aufzunehmen, die zum Flughafen oder Hauptbahnhof gebracht werden wollte. Mats dachte kurz daran, ihren Freund Farid zu bitten, sie zu Vlads verlassener Villa zu fahren. Das Problem war nur, dass Farid sofort Mr Myrddin informieren würde. Außerdem war es noch zu früh, um jetzt schon am Treffpunkt aufzutauchen. Es war gerade mal acht. Sie hatten also noch jede Menge Zeit.
»Ich traue diesem Richie nicht«, meinte Mats, während sie der Straße zum Alexanderplatz folgten. Sie hatten beschlossen, noch etwas zu futtern, bevor es losging. »Der wird sich doch niemals auf einen fairen Kampfeinlassen.«
Irgendwo hupte ein Auto, dann noch ein zweites. Keiner von beiden sah hin. In Berlin wurde ständig gehupt. Besonders an so heißen Tagen wie diesem, an denen die Autofahrer noch gereizter als
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