Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
Erklärung:
»Der Fuß des Menschen war ursprünglich nicht zum Gehen und noch viel weniger für Langstreckenläufe bestimmt.«
Wofür war nach Ansicht dieses Handbuches unser Fuß dann vorgesehen? Nun, zunächst einmal zum Schwimmen (»Der moderne Fuß entwickelte sich aus der Flosse irgendeines urweltlichen Fisches, und diese Flossen zeigten nach hinten«). Und danach zum Klettern (»Der Halt bietende Fuß ermöglichte es der Kreatur, auf Ästen zu kauern, ohne herunterzufallen«).
Und dann …?
Und dann geriet unsere Entwicklung ins Stocken, jedenfalls nach der podologischen Schilderung dieser Denkrichtung. Unser übriger Körper passte sich wunderbar an die Lebensbedingungen auf dem Festland an, während der einzige Körperteil, der tatsächlich die Erde berührte, in seiner Entwicklung zurückblieb. Wir entwickelten Gehirne und Hände, die geschickt und klug genug waren, um intravasale Chirurgie zu erlernen, doch unsere Füße verblieben angeblich in der Altsteinzeit. »Der Fuß des Menschen ist noch nicht vollständig an das Landleben angepasst«, beklagt das Handbuch. »Nur ein Teil der Bevölkerung ist mit gut für das Festland geeigneten Füßen ausgestattet.«
Wer sind nun diese wenigen Glücklichen mit gut entwickelten Füßen? Wenn man’s recht überlegt, kommt gar niemand infrage: »Die Natur hat ihren Plan für den perfekten modernen Läuferfuß noch nicht veröffentlicht«, schreibt Dr. Weisenfeld. »Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass wir alle die allerbesten Chancen für Verletzungen aller Art haben, bis der perfekte Fuß auf den Plan tritt.« Die Natur mag zwar ihre Blaupause noch nicht veröffentlicht haben, aber das hinderte einige Fußspezialisten nicht daran, sich mit ihren eigenen Vorschlägen zu Wort zu melden. Und genau diese Art von übersteigertem Selbstvertrauen – der Glaube, vier Jahre podologischer Ausbildung seien mehr wert als zwei Millionen Jahre natürlicher Selektion – führte in den 1970er Jahren zu einer katastrophalen Operationsserie.
»Das Läuferknie wurde noch vor nicht allzu vielen Jahren chirurgisch behandelt«, räumt Dr. Weisenfeld ein. »Das hat nicht besonders gut funktioniert, denn beim Laufen braucht man diese Polsterung.« Sobald die Patienten wieder unter dem Messer hervorkamen, stellten sie fest, dass sich der bohrende Schmerz in eine lebensverändernde Verstümmelung verwandelt hatte; ohne Knorpel in den Knien würden sie nie wieder schmerzfrei laufen können. Die Profession der Fußspezialisten durchlebte bei ihren Versuchen, der Natur um eine Nasenlänge voraus zu sein, eine wechselvolle Geschichte, dennoch empfiehlt das Runner’s Repair Manual an keiner Stelle, die Füße zu stärken. Die zur Wahl stehenden Mittel sind deshalb stets Tapeverbände, Einlagen oder chirurgische Eingriffe.
Selbst Dr. Irene Davis, deren Referenzen und Aufgeschlossenheit kaum zu übertreffen sind, nahm das Barfußlaufen erst im Jahr 2007 ernst, und auch das nur, weil einer ihrer Patienten ihr offene Widerworte gab. Der Mann war von seiner chronischen Plantarsehnenentzündung so frustriert, dass er sie durch Läufe mit slipperähnlichen Schuhen mit dünnen Sohlen loswerden wollte. Dr. Davis erklärte ihn für verrückt. Er tat es dennoch.
»Zu ihrer Überraschung ließen die Symptome der Plantarsehnenentzündung nach, und der Patient konnte mit diesen Schuhen kurze Strecken laufen«, sollte die Zeitschrift BioMechanics später über diesen Fall berichten.
»Wenn Patienten nicht auf uns hören, lernen wir oft etwas dazu«, antwortete Dr. Davis wohlwollend. »Ich glaube, dass die in diesem Land weit verbreitete Plantarsehnenentzündung vielleicht zum Teil auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass wir unsere Fußmuskeln nicht das tun lassen, wofür sie bestimmt sind.« Von der Gesundung ihres aufsässigen Patienten war sie so beeindruckt, dass sie jetzt in ihre eigenen Übungseinheiten sogar Barfußspaziergänge aufnahm.
Nike verdient nicht 17 Milliarden Dollar im Jahr, indem es die Barfuß-Teds dieser Welt die Trends bestimmen lässt. Nachdem die beiden Nike-Mitarbeiter aus Stanford mit der Nachricht zurückkehrten, dass der Barfußaufstand inzwischen sogar Eliteläufer am College erfasste, machte sich das Unternehmen sofort an die Arbeit, um zu prüfen, ob sich mit dem Problem, das man selbst geschaffen hatte, Geld verdienen ließe.
Der großen, bösen Firma Nike die Schuld für die epidemische Zunahme von Laufverletzungen zu geben, scheint eine zu simple
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