Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
Bevölkerung haben ernsthafte biomechanische Probleme. Wer benutzt also diese ganzen Einlagen? Wenn wir jemand mit einem orthopädischen Hilfsmittel versorgen, schaffen wir jedes Mal neue Probleme, indem wir Dinge behandeln, die es gar nicht gibt.« Die Zeitschrift Runner’s World überraschte 2008 mit dem Eingeständnis, dass sie ihre Leser jahrelang versehentlich in die Irre geführt hatte, indem sie Läufern mit Plantarsehnenentzündung korrektiv wirkende Spezialschuhe empfahl: »Aber die neuere Forschung hat gezeigt, dass stabilisierende Schuhe bei einer Plantarsehnenentzündung vermutlich keine Abhilfe schaffen und die Symptome sogar verschlimmern können« [Hervorhebung durch den Autor].
»Sehen Sie sich nur die Architektur an«, erklärte Dr. Hartmann. Wer eine Blaupause der eigenen Füße anfertigt, entdeckt ein Wunderwerk, das Ingenieure jahrhundertelang nachzuahmen versuchten. Das Herzstück ist das Gewölbe, die großartigste lasttragende Konstruktion, die je erfunden wurde. Die Schönheit jedes Gewölbes liegt in der Art, in der es unter Belastung stärker wird. Je stärker man es nach unten drückt, desto fester schließen sich seine Teile zusammen. Kein Steinmetz, der seine sieben Meißel beisammen hat, würde jemals unter einen Gewölbebogen eine Stütze setzen; stützt man von unten, schwächt man damit die gesamte Konstruktion. Das Fußgewölbe wird von allen Seiten von einem äußerst dehnbaren Netz unterstützt: 26 Knochen, 33 Gelenke, 12 gummiartige Sehnen und 18 Muskeln, sie alle strecken und biegen sich wie eine erdbebensichere Hängebrücke.
»Steckt man die Füße in Schuhe, ist das mit einem Gipsverband vergleichbar«, sagte Dr. Hartmann. »Wenn ich Ihr Bein in Gips lege, wird die Muskelmasse innerhalb von sechs Wochen um vierzig bis sechzig Prozent abgenommen haben. Ähnliches geschieht mit Ihren Füßen, wenn sie in Schuhen eingesperrt sind.«
Wenn die Schuhe die Arbeit übernehmen, werden die Sehnen steif, und die Muskeln schrumpfen. Füße leben für den Kampf und gedeihen unter Druck. Lässt man sie faulenzen, brechen sie zusammen, wie Alan Webb entdeckte. Trainiert man sie, wird das Gewölbe aufgebaut wie ein Regenbogen.
»Ich habe mit über hundert der besten kenianischen Läufer zusammengearbeitet, und ihnen allen gemein ist die wunderbare Elastizität ihrer Füße«, fuhr Dr. Hartmann fort. »Dazu kommt es, wenn man bis zum siebzehnten Lebensjahr niemals mit Schuhen läuft.« Dr. Hartmann ist bis heute der Ansicht, dass der beste Rat zur Vorsorge gegen Verletzungen, der ihm jemals zu Ohren kam, von einem Trainer stammte, der »dreimal wöchentlich Barfußlaufen auf taufeuchtem Gras« befürwortete.
Er ist nicht der einzige medizinische Fachmann, der die Barfuß-Doktrin predigt. Dr. Paul W. Brand, Leiter der Rehabilitationsabteilung am U. S. Public Health Service Hospital in Louisiana und Professor für Chirurgie an der Louisiana State University, ist der Ansicht, dass wir sämtliche weit verbreiteten Fußbeschwerden innerhalb einer Generation loswerden könnten, wenn wir unsere Schuhe auszögen. Bereits im Jahr 1976 führte Dr. Brand aus, dass nahezu sämtliche Fälle in seinem Wartezimmer – Hühneraugen, entzündete Fußballen, Hammerzehen, Platt- und Senkfüße – in Ländern, in denen die meisten Menschen barfuß gehen, so gut wie gar nicht vorkommen.
»Der Barfußgänger empfängt einen ständigen Informationsfluss über den Boden und seine eigene Beziehung zu ihm«, schrieb er damals, »während ein beschuhter Fuß in einer unveränderlichen Umgebung schläft.«
Die Trommeln des Barfußaufstands wurden lauter. Eigentlich hätten hierbei die Ärzte die Attacke für einen muskulösen Fuß anführen müssen, stattdessen verwandelte sich der Konflikt in einen Klassenkampf, bei dem sich Fußspezialisten und ihre eigenen Patienten feindlich gegenüberstanden. Barfußbefürworter wie die Doktoren Brand und Hartmann waren immer noch eine Seltenheit, während das traditionelle podologische Denken den menschlichen Fuß nach wie vor als Fehler der Natur empfand, als ein unvollendetes Werk, das durch ein bisschen Skalpellbildhauerei und Einlagenumgestaltung stetig verbessert werden konnte.
Diese von angeborenen Mängeln ausgehende Denkweise ist im Runner’s Repair Manual von Dr. Murray Weisenfeld, einem führenden Sport-Fußspezialisten, perfekt formuliert. Das Werk, eines der meistverkauften Fuß-Fürsorge-Bücher aller Zeiten, beginnt mit dieser unheilvollen
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