Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)
Typ, dem man ohne Weiteres irgendwelchen Mist erzählen kann. Er pflegt dann zu sagen: ›Hey, wenn das angeblich so sein soll, dann lasst uns mal sehen, ob es wirklich stimmt.‹«
Im Lauf der nächsten zehn Jahre lief David jeden Tag acht Kilometer. Nachdem er erkannt hatte, dass er mit zwei Schuhen am jeweils falschen Fuß bequem laufen konnte, fragte er sich, warum er überhaupt Laufschuhe brauchte. Wenn er sie nicht so benutzte, wie das Produktdesign es vorsah, dann waren Produkt und Design vielleicht gar nicht der große Wurf, sinnierte Dave. Ab diesem Zeitpunkt kaufte er seine Sportschuhe nur noch in Billigläden.
»Da ist nun dieser Mann, der mehr läuft als die meisten anderen, mit dem falschen Schuh am falschen Fuß, und er kommt wunderbar zurecht«, sagte Ken Learman. »Dieses Experiment hat uns alle etwas gelehrt. Es hat uns gelehrt, dass bei Laufschuhen nicht alles Gold ist, was glänzt.«
LETZTE SCHMERZLICHE WAHRHEIT: Sogar Alan Webb sagt: »Die Menschen sind zum Barfußlaufen bestimmt.«
Alan Webb war, bevor er Amerikas größter Meilenläufer wurde, ein plattfüßiger Anfänger in miserabler Form. Aber sein Highschool-Coach erkannte das Potenzial und baute Alan – das ist keine Übertreibung – von Grund auf ganz neu auf.
»Ich hatte schon früh Verletzungsprobleme, und es wurde deutlich, dass ich von meiner Biomechanik her verletzungsanfällig war«, sagte mir Webb. »Also machten wir Übungen, die den Fuß stärkten, und entwickelten spezielle Barfußgehformen.« Webb sah, wie sich seine Füße nach und nach entwickelten. »Ich hatte Schuhgröße 46 und war plattfüßig, und jetzt habe ich Größe 42 oder 43. Die Muskeln in meinen Füßen wurden kräftiger, und mein Fußgewölbe hob sich.« Aufgrund der Barfußübungen war Webb jetzt auch nicht mehr so oft verletzt, was ihm das harte Training ermöglichte, das schließlich zum US-Rekord über eine Meile und zur Weltjahresbestleistung über 1500 Meter im Jahr 2007 führte.
»Barfußlaufen ist jahrelang eine meiner Trainingsphilosophien gewesen«, sagte Dr. Gerard Hartmann, der irische Physiotherapeut, der den besten Langstreckenläufern der Welt als Zauberer von Oz dient. Paula Radcliffe läuft keinen Marathon, ohne vorher Dr. Hartmann zu konsultieren, und Titanen wie Haile Gebrselassie und Khalid Khannouchi haben ihre Füße seinen Händen anvertraut. Dr. Hartmann hat die explosionsartige Entwicklung von Einlagen und mit immer neuen Extras ausgestatteten Laufschuhen seit Jahrzehnten mit Bestürzung verfolgt.
»Eine geschwächte Fußmuskulatur ist das größte Problem, das zu Verletzungen führt, und wir haben es zugelassen, dass unsere Füße im Lauf der vergangenen fünfundzwanzig Jahre erheblich geschwächt wurden«, sagte Dr. Hartmann. »Pronation ist ein ganz schlimmes Wort geworden, aber sie ist nichts anderes als die natürliche Fußbewegung. Der Fuß soll pronieren.«
Wer erleben will, wie Pronation funktioniert, ziehe seine Schuhe aus und laufe einige Meter auf Asphalt. Die Füße werden auf hartem Belag für kurze Zeit die Gewohnheiten ablegen, die sie in Schuhen erworben haben, und automatisch auf den Selbstschutzmodus umstellen: Die Versuchsperson wird feststellen, dass sie auf der Fußaußenseite landet und dann vom kleinen Zeh aus bis zum großen Zeh sanft abrollt, bis der Fuß ganz aufliegt. Das ist Pronation – nichts anderes als eine sanfte, den Aufprall absorbierende Drehung, die es dem Fußgewölbe ermöglicht, sich zusammenzuziehen.
Doch in den 1970er Jahren formulierte die angesehenste Stimme in der Laufszene gewisse Zweifel zu dieser ganzen Fußdreherei. Dr. George Sheehan war ein Kardiologe, der durch seine Essays zur Schönheit des Laufens zum Philosophenkönig der Marathonwelt geworden war, und er entwickelte die Vorstellung, dass die starke Überpronation die Ursache des sogenannten Läuferknies sein könnte. Damit lag er sowohl richtig als auch vollkommen falsch. Bei einer Überpronation muss man auf der Ferse landen, und auf der Ferse kann man nur landen, wenn sie gepolstert ist. Die Schuhhersteller reagierten dennoch zügig auf Dr. Sheehans Ruf zu den Waffen, und sie entwickelten eine nukleare Reaktion: Sie schufen monströs keilförmige und supertechnisierte Schuhe, mit denen die Pronotion praktisch beseitigt wurde.
»Aber sobald man eine natürliche Bewegung blockiert, beeinflusst man die anderen auf ungünstige Art«, sagte Dr. Hartmann. »Wir haben das untersucht, und nur zwei bis drei Prozent der
Weitere Kostenlose Bücher