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Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher McDougall
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Gesichtsausdruck.
    »¿Que pasa?«, fragte ich. »Was ist los?«
    »Sie wohnen hier«, sagte Salvador und zeigte dann auf einen kleinen Hügel.
    Ich stand wieder auf, folgte ihm durch einen Riss in den Felsen und stand unvermittelt vor einer dunklen Öffnung. Der Hügel war in Wirklichkeit eine kleine Hütte, die aus Lehmziegeln gefertigt und so in den Hang eingefügt war, dass sie unsichtbar blieb, bis man buchstäblich auf ihr stand.
    Ich sah mich nach weiteren versteckten Behausungen um, aber in keiner Himmelsrichtung gab es irgendeinen Hinweis auf andere menschliche Wesen. Die Tarahumara ziehen ein Leben in solcher Isolation vor, was auch für den Umgang untereinander gilt. Bewohner desselben Dorfes mögen es nicht, wenn man so nahe beieinander wohnt, dass man den Rauch des nachbarlichen Herdfeuers sehen kann.
    Ich öffnete den Mund, um zu rufen, und schloss ihn gleich wieder. Dort, in der Dunkelheit, stand bereits jemand und beobachtete uns. Dann trat Arnulfo Quimare, der gefürchtetste Tarahumara-Läufer, ins Freie.
    »Kuira-bá«, sagte Salvador. Es waren die einzigen Worte der Tarahumara-Sprache, die er kannte. »Wir gehören alle zusammen.«
    Arnulfo sah mich an.
    »Kuira-bá«, wiederholte ich.
    »Kuira«, hauchte Arnulfo mit einer Stimme, die so sanft wie ein Seufzer klang. Er streckte seine Hand zum Tarahumara-Händedruck aus, einem sanften Berühren mit den Fingerspitzen. Dann verschwand er wieder in der Hütte. Wir warteten und … warteten noch ein bisschen länger. War das alles? Aus der Hütte drang nicht einmal ein Flüstern, keinerlei Anzeichen dafür, dass er wieder herauskommen würde. Ich sah um die Ecke, um zu prüfen, ob er sich durch den Hinterausgang davongemacht hatte. Ein weiterer Tarahumara-Mann döste dort im Schatten der Rückwand, aber von Arnulfo war nichts zu sehen.
    Ich trat wieder zu Salvador. »Kommt er zurück?«
    »No sé«, antwortete Salvador mit einem Schulterzucken. »Ich weiß nicht. Vielleicht haben wir ihn richtig verärgert.«
    »Jetzt schon? Wie denn?«
    »Wir hätten nicht einfach so daherkommen dürfen.« Salvador ärgerte sich über sich selbst. Er war übereifrig gewesen und hatte eine entscheidende Verhaltensregel im Umgang mit den Tarahumara verletzt. Bevor man sich einer Tarahumara-Behausung nähert, muss man sich in gebührendem Abstand auf den Boden setzen und abwarten. Dann schaut man eine Zeit lang in die entgegengesetzte Richtung, als ob man einfach nur hier vorbeiwandern würde und nichts Besseres zu tun hätte. Wenn dann jemand auftaucht und den Besucher in seine Behausung einlädt, ist das eine feine Sache. Wenn nicht, steht man wieder auf und geht. Man geht nicht einfach hin und baut sich vor dem Eingang auf, wie Salvador und ich das getan hatten. Die Tarahumara entscheiden gern selbst, ob sie sichtbar sein wollen oder nicht. Wer seine Augen auf sie richtet, ohne eingeladen zu sein, verhält sich wie jemand bei uns, der einen anderen Menschen nackt in dessen Badezimmer überrascht.
    Arnulfo erwies sich zum Glück als ein Mensch, der verzeiht. Kurze Zeit später kam er mit einem Korb süßer Limetten zurück. Wir seien zu einem ungünstigen Zeitpunkt erschienen, erklärte er uns. Seine ganze Familie sei grippekrank. Der Mann hinter der Hütte sei sein älterer Bruder Pedro, der vom Fieber so geschwächt sei, dass er nicht einmal aufstehen könne. Arnulfo lud uns dennoch ein, hier bei ihm auszuruhen.
    »Assag«, sagte er. Setzt euch.
    Wir ließen uns nieder, wo wir ein bisschen Schatten fanden, schälten die Früchte und starrten auf das schäumende Wasser des Flusses. Wir kauten einträchtig, spuckten Samenkörner auf den Boden, und Arnulfo schaute schweigend aufs Wasser. Ab und zu wandte er sich zur Seite und taxierte mich. Er fragte nicht, wer wir waren und warum wir überhaupt bei ihm aufgetaucht waren. Es sah ganz danach aus, als wollte er das selbst herausfinden.
    Ich bemühte mich, ihn nicht anzustarren, aber es ist schwierig, die Augen von jemandem abzuwenden, der so gut aussieht wie Arnulfo. Er war so braun wie poliertes Leder und hatte lustige dunkle Augen, die in gedankenverlorenem Selbstvertrauen unter den Ponyfransen seines schwarzen Pilzkopfs hervorblitzten. Er erinnerte mich an die frühen Beatles; an alle frühen Beatles, die sich hier zu einer klugen, heiteren, ruhig-schönen Verbindung ungezügelter Stärke zusammengefunden hatten. Er trug die typische Tarahumara-Kleidung, ein knielanges Lendentuch und ein feuerrotes Gewand, das sich wie

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