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Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher McDougall
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gierig, glaubte Vigil, zu sehr auf Erwerb, und vor allem: raschen Erwerb, ausgerichtet: auf Medaillen, Nike-Deals und einen wohlgeformten Hintern. Das war keine Kunst, es war ein Geschäft, ein stures, auf Leistung und Gegenleistung beruhendes, berechnendes Geschehen. Kein Wunder, dass viele Menschen das Laufen hassten; wenn man es nur als Mittel zum Zweck betrachtete – als Investition, mit deren Hilfe man schneller, schlanker, reicher werden wollte -, warum sollte man dann dabeibleiben, wenn man für die eigene Leistung nicht genug Gegenleistung bekam?
    Aber das war nicht immer so – und als es sich noch anders verhielt, hatte man uns geradezu bewundern können. Amerikanische Marathonläufer hatten noch in den 1970er Jahren sehr viel mit den Tarahumara gemeinsam. Sie waren ein Stamm von isoliert lebenden Außenseitern, sie liefen aus Spaß und verließen sich dabei auf ihren nackten Instinkt und eine sehr schlichte Ausrüstung. Wenn man von einem Laufschuh der 1970er Jahre das Oberteil entfernt, hat man eine Sandale in der Hand: Die alten Adidas-Schuhe und Onitsuka Tigers waren einfache Sohlen mit Schnürsenkeln, ohne seitliche Stabilisierung, ohne Unterstützung des Fußgewölbes, ohne Fersenpolster. Die Jungs in den 70ern machten sich noch keine großen Sorgen wegen »Pronation« und »Supination«; der modische Schnickschnack, der in Laufsportgeschäften gepflegt wird, war noch nicht erfunden.
    Ihr Training war so primitiv wie ihre Schuhe. Sie liefen viel zu viel: »Wir liefen zweimal am Tag, manchmal auch dreimal«, sollte sich Frank Shorter später erinnern. »Wir liefen und taten nichts anderes – laufen, essen, schlafen.« Sie liefen viel zu intensiv: »Die gängige Methode war, eine Gruppe miteinander konkurrierender Burschen täglich aufeinander loszulassen, im Stil von Straßenrowdys«, kommentierte ein Beobachter. Und für sogenannte Konkurrenten gingen sie viiiel zu freundschaftlich miteinander um: »Wir liefen gern miteinander«, berichtete Bill Rodgers, vierfacher Sieger beim Boston Marathon, einer der Häuptlinge des 1970er-Stammes. »Wir vergnügten uns dabei. Es war keine Knochenmühle.«
    Sie waren so unwissend, dass sie nicht einmal mitbekamen, dass sie eigentlich ausgebrannt, übertrainiert und verletzt sein müssten. Stattdessen waren sie schnell, richtig schnell. Frank Shorter gewann 1972 den olympischen Marathonlauf in München, 1976 in Montreal lief er zu Silber. Bill Rogers stand drei Jahre lang an der Spitze der Marathonweltrangliste, und Alberto Salazar gewann Boston, New York und den Comrades-Ultramarathon in Südafrika. Anfang der 1980er Jahre gehörte dem Greater Boston Track Club ein halbes Dutzend Burschen an, die einen Marathonlauf in 2 Stunden und 12 Minuten schafften. Sechs Jungs, in einem Amateurklub, in einer einzigen Stadt. 20 Jahre danach gab es im ganzen Land keinen einzigen Marathonläufer mehr, der diese Strecke in 2 Stunden und 12 Minuten schaffte. Die Vereinigten Staaten hatten keinen einzigen Läufer mehr zu bieten, der die Olympia-Qualifikationsnorm von 2 Stunden 14 Minuten erfüllte. Nur Rod DeHaven schaffte es mit knapper Not mit der »B-Norm« von unter 2:15 Stunden nach Sydney. Er belegte Platz 69.
    Was war passiert? Wie sind wir vom Spitzenplatz so weit nach hinten abgerutscht? Natürlich lässt sich kaum ein Ereignis in dieser komplizierten Welt auf einen einzigen Grund zurückführen, ist man aber gezwungen, sich festzulegen, lässt sich die Antwort am besten wie folgt zusammenfassen:

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    Mit Sicherheit werden viele Leute Entschuldigungen bemühen, in denen von Kenianern mit irgendwelchem mutiertem Muskelgewebe die Rede ist, aber die Frage ist nicht, warum andere Leute schneller wurden; das Thema ist, warum wir langsamer wurden. Und Tatsache ist, dass der amerikanische Langstreckenlauf genau dann in eine Abwärtsspirale geriet, als Geld ins Spiel kam. Nach Los Angeles 1984 wurden die Olympischen Spiele für Profis geöffnet, und das hatte zur Folge, dass die Laufschuhfirmen die Langstrecken laufenden Wilden aus der Wildnis in die Sponsorenreservate locken konnten.
    Vigil sah die Apokalypse kommen, und er unternahm alles Mögliche, um seine Läufer zu warnen. »In eurem Herzen wohnen zwei Göttinnen«, sagte er zu ihnen. »Die Göttin der Weisheit und die Göttin des Reichtums. Die Leute glauben, sie müssten zuerst reich werden, dann werde sich die Weisheit schon einstellen. Also widmen sie sich der Jagd nach dem Geld. Aber es verhält sich genau

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