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Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition)

Titel: Born to Run: Ein vergessenes Volk und das Geheimnis der besten und glücklichsten Läufer der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher McDougall
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Ultralangstreckenlauf teilte sich, wie die Rapmusik, nach geographischen Kriterien auf. Jenn und Billy hatten bislang, als Akteure von der Ostküste, den größten Teil ihrer Rennen in der Nähe ihres Heimatorts absolviert und waren deshalb noch nicht vielen Vertretern der Westküsten-Elite begegnet (oder hatten mit ihnen die Klinge gekreuzt). Für sie – und eigentlich für nahezu alle Ultralangstreckenläufer – war Scott eine ebenso sagenumwobene Gestalt, wie es die Tarahumara als Kollektiv waren.
    »Ich habe selbst nur ganz kurz mit ihm gesprochen«, sagte ich. »Er ist nicht so leicht zu durchschauen, so viel kann ich sagen.«
    Genau ab diesem Punkt hätte ich meinen vorlauten Mund halten sollen. Aber wer kann schon vorhersagen, wann das Triviale ins Tragische umschlägt? Wie hätte ich wissen können, dass eine freundliche Geste wie das Laufschuhgeschenk Caballo beinahe das Leben kosten würde? Ebenso hätte ich niemals vermutet, dass der nächste Satz aus meinem Mund eine Katastrophe auslösen würde:
    Mein Vorschlag lautete: »Vielleicht könnt ihr ihn ja betrunken machen, damit er ein bisschen aus sich rausgeht.«

21

    »Stellt euch darauf ein, vor euren Gott zu treten«, sagte ich, als wir die Hotelbar betraten, »der gerade ein Bierchen zischt.«
    Scott saß auf einem Barhocker und nippte an einem Fat Tire Ale. Billy stellte seinen Seesack ab und streckte die Hand aus, während sich Jenny noch hinter mir hielt. Auf dem ganzen Weg über den Parkplatz hatte sie Billy kaum zu Wort kommen lassen, aber jetzt, in Scotts Gegenwart, zog sie der Star in seinen Bann. Jedenfalls dachte ich das, bis ich ihren Blick registrierte. Sie war nicht schüchtern, sie taxierte ihn. Scott mochte wohl demnächst die Tarahumara jagen, aber er tat gut daran, darauf zu achten, wer ihn selbst jagte.
    »Sind wir schon komplett?«, fragte Scott.
    Ich sah mich in der Bar um und vergewisserte mich. Jenn und Billy bestellten sich ein Bier. Neben ihnen stand Eric Orton, ein Abenteuersport-Coach aus Wyoming, der sich schon seit langem mit den Tarahumara beschäftigte und mich zu seinem persönlichen Katastrophenhilfeprojekt gemacht hatte. In den letzten neun Monaten hatten wir wöchentlichen Kontakt gehabt, manchmal sogar täglichen, als Eric versuchte, mich von einem brüchigen Wrack zu einem eisenharten Ultramarathonmann umzubauen. Er war der Mann, bei dem ich mir sicher gewesen war, dass er erscheinen würde; er musste für dieses Vorhaben zwar seine Frau und ihre neugeborene Tochter mitten im strengen Winter von Wyoming zurücklassen, aber es war ausgeschlossen, dass er zu Hause blieb, während ich seine Kunst einer Überprüfung unterzog. Ich hatte ihm geradeheraus erklärt, dass er sich irre und ich unmöglich 80 Kilometer laufen könne. Jetzt würden wir beide sehen, ob er richtig lag.
    Luis Escobar und sein Vater Joe Ramírez hatten Scott in die Mitte genommen. Luis war nicht nur selbst ein Ultralangstreckler, der das H. U. R. T. 100 gewonnen hatte und Badwater-erfahren war, sondern außerdem auch noch einer der besten Wettkampffotografen in dieser Sportart. (Seiner Kunstfertigkeit kam natürlich zugute, dass ihn seine Beine an Orte trugen, die für andere Fotografen unerreichbar waren.) Zufälligerweise hatte Luis vor kurzem Scott angerufen, um sich zu vergewissern, ob man sich beim Coyote Fourplay begegnen würde, einem halbgeheimen Einladungsrennen ohne Startgebühren, das folgendermaßen beschrieben wird: »Eine viertägige Orgie des Schwachsinns, mit abgetrennten Kojotenköpfen, vergifteten Snacks, Schlüpfern in Bäumen und an die zweihundert Kilometern auf Bergpfaden, auf die du im Rückblick gern verzichtet hättest.«
    Das Fourplay findet jedes Jahr Ende Februar in den entlegenen Wäldern von Oxnard in Kalifornien statt, und der Sinn des Rennens besteht darin, einer kleinen Gruppe von Ultralangstreckenläufern die Gelegenheit zu geben, einander richtig Feuer unter dem Hintern zu machen und besagte Hintern anschließend auf Klobrillen festzukleben. Die Fourplayers laufen jeden Tag Strecken von 50 bis 80 Kilometern auf Pfaden, die mit mumifizierten Kojotenschädeln und Frauenunterwäsche markiert werden. Und abends geht es weiter, mit Bowlingturnieren, Talentshows und endlosen hinterlistigen Streichen. Gern werden zum Beispiel ProBars durch gefrorenes Katzenfutter ersetzt und anschließend die Verpackung wieder geschickt verschlossen. Das Fourplay war ein Wettkampf für Amateure, die harte Läufe und derbe Streiche

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