Bosmans/Deleu 01 -Nackte Seelen
verschwundenen Vermisstenanzeige erzählt, weil ich in dem Moment nicht an die Beziehung Verbist – De Staercke dachte. Dabei sind Drecksäcke wie De Staercke in diesem Milieu zu Hause. Das ist heute so und wird sich auch in den nächsten hundert Jahren nicht ändern.«
Beide Männer tranken einen Schluck und aßen schweigend ihre Portion Käse. Jeder spürte genau, was der andere dachte. Bosmans hätte sich die letzten Haare ausreißen können. Die Zeitbombe tickte. Deleu musste von dem Fall abgezogen werden. Er hatte keine andere Wahl. Sein bester Ermittler flog raus.
»Ich gehe morgen früh selbst zu Verspaille.«
»Ich weiß, Dirk. Ich habe nichts anderes erwartet.«
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26
I st sie schön?«
»Hm, ja, schon.«
»Ich meine, schöner als ich?«
»Anders. Anders, Barbara.«
Deleu senkte den Kopf und verfluchte sich.
»Findest du, dass ich kein Recht habe, dich auszufragen?«
Deleu versuchte, ruhig zu bleiben.
»Hättest du es mir auch erzählt, wenn sie dich nicht vom Dienst suspendiert hätten?«
»Wahrscheinlich schon«, murmelte Deleu verzweifelt. »Ich weiß, dass ich das nie wiedergutmachen kann, Barbara. Ich weiß es. Ich kann dich nur bitten, mir zu verzeihen.«
Barbara legte beide Hände auf ihren Bauch und lief laut schluchzend in die Küche. Deleu folgte ihr und legte ihr die Hände auf die Schultern. Sie wehrte ihn ab, riss ein Blatt von der Rolle Küchenpapier und drückte es ans Gesicht.
Deleu lungerte etwa eine Minute lang unentschlossen in der Küche herum und kehrte schließlich zurück ins Wohnzimmer. Er schaltete den Fernseher ein und schaute die Nachrichten. Ein Bericht über Ausländerkrawalle. Aber nichts von dem, was gesendet wurde, interessierte ihn im geringsten. Er ging zum Vorratsschrank und nahm eine Schokowaffel heraus, riss die Verpackung auf und brach sie sorgfältig in vier gleiche Teile. Er setzte sich aufs Sofa, aß ohne Appetit zwei Stückchen und ließ die restlichen beiden auf dem Wohnzimmertisch liegen. Er griff zur Fernbedienung, zappte wild durch die Sender, als hinge sein Leben davon ab.
Die unterschiedlichsten Gedanken schossen ihm kreuz und quer durch den Kopf. Er konnte sie weder beherrschen noch ordnen, geschweige denn in Worte fassen.
Barbara kam aus der Küche, trank von ihrer Cola light und setzte sich ihm gegenüber in den Sessel. Sie zog die Angoradecke über sich und sagte: »Ich will wieder arbeiten gehen, ab morgen suche ich mir einen Job.«
Deleu blätterte nervös in einer Zeitschrift herum und antwortete nicht.
»Und ich überlege, abtreiben zu lassen.«
»Wie du willst«, sagte Deleu, der das Unwetter herannahen fühlte, aber keine Kraft hatte, dagegen anzugehen.
»Wann ziehst du aus?«
Wieder schwieg Deleu wohlweislich.
»Willst du bei ihr einziehen? Ist sie auch schwanger? Rob bleibt auf jeden Fall bei mir. Einmal im Monat kannst du ihn sehen, wenn’s hochkommt.«
Deleus Schweigen wirkte auf sie wie ein rotes Tuch. Barbara schrie immer lauter. Deleu schmiss die Zeitschrift an die Wand und biss sich in den Handballen. »Schon gut, schon gut, Schatz. Wirf mir ruhig alles an den Kopf, was du nur willst. Ich kann’s dir nicht verübeln«, flüsterte er.
»Das wäre auch noch schöner!«
Barbara rannte mit erhitztem Gesicht in die Küche, und Deleu hörte Geschirr zu Bruch gehen. Er vermutete, dass es die Obstschale gewesen war, die sie von Tante Rita zum zehnten Hochzeitstag bekommen hatten, und blieb sitzen. Er hatte das Ding sowieso nie leiden können.
»Warum, Dirk, warum? Könntest du mir das mal verraten?« Barbara ließ sich aufs Sofa fallen und schaute Deleu mit gerunzelter Stirn an.
»Tja, weil ich ein Mann bin vermutlich.«
»Weil du ein Mann bist. Und?«
»Es ging um Sex, Barbara. Männer sind eben anders als Frauen. Von Natur aus.«
»Aha, von Natur aus! Und jetzt war gerade Brunftzeit, oder wie?«
Ihre Blicke trafen sich. Deleu versuchte krampfhaft, ein Lächeln zu unterdrücken. Barbara schlug eine Hand vor ihre hochgezogenen Mundwinkel, konnte aber das amüsierte Funkeln in ihren Augen nicht verbergen. Kurz darauf mussten sie beide lachen. Deleu nahm Barbara an den Schultern, umarmte sie innig, fuhr mit den Händen durch ihre dicken braunen Locken und klammerte sich an sie wie ein Schiffbrüchiger an ein Stück Treibholz.
»Dirk, Dirk, was habe ich denn bloß falsch gemacht? Wo habe ich versagt? Was hat sie, das ich dir nicht bieten kann?«
»Pssst … lass doch jetzt gut sein.«
»Nein!« Barbara löste
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