Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
handfesten Streit mit Tränen auf beiden Seiten hatte Walter schließlich nachgegeben. Maggy hatte recht. Ohne Auto war man heutzutage einfach nicht mobil, und sie konnten ihrem Ältesten wahrhaftig nicht andauernd zur Last fallen.
Als Vereecken aus seinen Grübeleien aufschrak, stellte er fest, dass er inzwischen allein mit Jos Bosmans war und dass dieser ihn anstarrte. Die anderen waren verschwunden. Er schob die Sorgen beiseite und rang sich ein Grinsen ab.
»Ich hätte gern bis heute Abend einen komplettenÜberblick über die Kontenbewegungen dieser Françoise Bourgeois bei der Luxemburger Bank auf meinem Schreibtisch. Ist das machbar?«, sagte Bosmans.
»Keine Ahnung, Chef. Ich werde jedenfalls mein Bestes tun. Gegen sechzehn Uhr erwarte ich einen Anruf von Peter de Groot, der mit den nötigen offiziellen Dokumenten in der Tasche persönlich nach Luxemburg gefahren ist. Dann erfahre ich, ob die überhaupt irgendwelche Informationen rausrücken.«
»Haben Sie die Dokumente überprüft?«, fragte Bosmans streng.
»Äh, ja.«
»Doppelt und dreifach?«
»De Groot hat alles, was er braucht. Es wird schon schiefgehen. Ich bin da ganz optimistisch.«
»Die Uhr tickt«, seufzte Bosmans.
»Ich weiß, ich weiß. Aber wir machen Fortschritte. Übermorgen werden wir wahrscheinlich Einsicht in die Unterlagen der Versicherung erhalten.«
»Gute Arbeit!«, presste Bosmans zwischen den Zähnen hervor.
Während er hektisch in seinen Papieren herumwühlte, drehte Walter Vereecken an den verchromten Rädern seines Rollstuhls herum und ließ ihn auf und ab wippen. Er zögerte einen Moment, entschloss sich dann aber, seinem Chef den Rücken zuzukehren, und drehte den Rollstuhl mit zwei kurzen Stößen halb um die eigene Achse.
»Walter?«
»Ja?« Er hielt in der Bewegung inne und wandte sich wieder zu Bosmans um.
»Wie geht’s denn so zu Hause? Alles klar?«, fragte dieser, ohne aufzublicken.
»Ach, ganz gut. Das Leben geht allmählich wieder seinen gewohnten Gang. Also – alles klar«, imitierte er mit abwesendem Lächeln seinen Chef.
»Wie kommen Sie sonst so zurecht?«, fragte Jos Bosmans und sah ihn über den Rand seiner Lesebrille hinweg an.
Walter Vereecken schluckte und antwortete zögerlich: »Es ist nicht leicht. Ich werde mich wohl nie daran gewöhnen.«
Bosmans seufzte verständnisvoll und fragte: »Und die neue Stelle? Ist die was für Sie?«
»Dafür wollte ich mich sowieso noch bedanken«, flüsterte Walter Vereecken heiser. »Dass Sie mich nicht einfach haben fallen lassen.«
Jos Bosmans putzte seine Brille mit einem keineswegs sauberen Taschentuch und nickte nur.
8
»Bist du eigentlich schwul?«, fragte Nadia ganz im Ernst und übertrieben laut.
Deleu verschluckte sich und spuckte glatt den vorzüglichen Chardonnay wieder aus, teils in sein Glas und teils auf den gefliesten Boden des Cirque Belge, einer In-Kneipe am Antwerpener Groenplaats. Er starrte Nadia Mendonck mit offenem Mund an.
Sie lehnte lässig an der massiven Bar, auf der drei Gogo-Girls mit lasziven Tanzbewegungen tiefe Einblicke gewährten. Dabei musterte sie einen ungehobelten Kerl, Typ Vertreter mit Wurstfingern und Schweinenase, derart verächtlich, dass dieser sich prompt zu seinem grinsenden Kollegen umdrehte.
»Inspecteur?«, fragte Nadia Mendonck erneut und nippte mit kleinen Schlucken an ihrem Corsendonck Agnus. »Oder hab ich dich jetzt gerade in deiner männlichen Ehre gekränkt?«
»Wie kommst du denn darauf?«, fragte Deleu in seinem tiefsten Bass zurück, während er sich umblickte wie ein aufgescheuchtes Rotkehlchen.
Gut, dass es in dem Laden so schummrig war und das Gejaule der Stones-Coverband auf der improvisierten Bühne alle anderen Geräusche übertönte.
»Ich habe dich also nicht gekränkt«, sagte sie grinsend, und ihre stahlblauen Augen blickten dabei tief in seine.
»Weder hast du mich gekränkt noch bin ich schwul«, erwiderte Deleu fest und starrte unverwandt den lallenden Vertreter an.
Keine Reaktion.
»Wie kommst du überhaupt darauf?«, fragte er, nun doch ein klein wenig beleidigt.
»Ach, nur so. Ich finde, du hast so was Sensibles an dir, wie die meisten Schwulen eben. Die sind ja oft spontan und sensibel. Wobei du allerdings nicht besonders spontan bist.«
»Ich habe zwei Kinder, einen siebzehnjährigen Sohn und eine wenige Tage alte Tochter«, sagte Deleu mit einem selbstzufriedenen Grinsen.
»Ach, so alt bist du schon?«
Deleu seufzte, zündete sich noch eine Zigarette an und
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