Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
Stirn, fasste sich aber überraschend schnell wieder und verzog weiter keine Miene.
»Guten Morgen, meine Herren!«, bellte Jos Bosmans. »Darf ich vorstellen? Inspecteur Mendonck, das neueste Mitglied unseres Teams. Sie wird von heute an unseren Kollegen Walter Vereecken ersetzen.«
Der letzte Satz hallte laut und kalt in dem großen, unordentlichen Büro wider. Vereecken und Deleu warfen sich einen vielsagenden Blick zu.
Deleu beugte sich vor und flüsterte: »Sorry, Kumpel, aber wenn ich die Wahl habe …«
Vereecken versetzte ihm einen kameradschaftlichen Stoß.
Noch bevor sich Deleu wieder aufgerichtet hatte, wurde ihm eine Hand unter die Nase gehalten.
»Nadia Mendonck.«
Der Ermittler straffte den Rücken, erwischte sich dabei, dass er die Brust vorwölbte und den Bauchansatz einzog, ergriff die Hand mit den schmalen, langen Fingern und sagte, kurz bevor seine Hand fest gedrückt wurde: »Deleu, Dirk Deleu. Von jetzt an sind wir wohl Kollegen. Willkommen im Team.«
»Sie sind Dirk Deleu? Der Inspecteur, der im Fall des ›Schlächters‹ den entscheidenden Durchbruch erzielt hat?«
»Äh … ja.«
»Ich hatte Sie mir ganz anders vorgestellt. Im Fernsehen und auf Fotos wirken Sie viel intelligenter.«
Deleu schnappte nach Luft, doch bevor ihm eine passende Antwort eingefallen war, saß Nadia Mendonck schon auf dem Stuhl ihm gegenüber, die Beine elegant übereinandergeschlagen. Er starrte die unendlich langen Beine an, insbesondere den zarten Schwung, mit dem die wohlgeformte Wade sanft in den schlanken, zierlichen Knöchel überging. Selbst die Turnschuhe mit den dicken Plateausohlen konnten das Gesamtbild nicht trüben: Nadia Mendonck war eine Wahnsinnsfrau.
Als Deleu zerstreut aufblickte, musterte ihn der Rest der Anwesenden amüsiert.
Bosmans räusperte sich und brach als Erster das beredte Schweigen. »Okay. Juffrouw Mendonck gehört also von jetzt an zu unserem Team. Sie hat übrigens den ersten Auftrag in ihrer neuen Funktion bereits erfüllt. Nicht war?«
»Ganz recht«, antwortete Nadia Mendonck. »Aber bitte nennen Sie mich doch Nadia.« Sie wandte sich an die verdatterten Fahnder: »Meine Herren, ich habe mich in den letzten vierzehn Tagen in die zahlreichen ungelösten«, sie betonte das letzte Wort, »Fälle vertieft, die bei den Akten lagen. Ich glaube, dass ich dabei auf einen gestoßen bin, der mit unserem jetzigen Fall in Zusammenhang steht. Nämlich die Akte ›Lady X‹.« Triumphierend blickte sie sich im Büro um.
Deleu konnte sich gut an diesen Fall erinnern. Es ging um die nackte, kopflose Leiche einer jungen Frau, die in den Antwerpener Docks gefunden worden war. Die Gerichtsmediziner hatten endlos lange herumgestritten, ob der Kopf von einer Schiffsschraube abgetrennt worden war oder nicht. Die Leiche war vor vierzehn Tagen gefunden und bisher nicht identifiziert worden.
»Auffällig ist, dass auch bei dieser jungen Frau aus der Schulter ein Stück Haut herausgeschnitten wurde und dass sie der anderen verblüffend ähnelt. Ich bin überzeugt, dass die beiden Morde miteinander zusammenhängen.«
»Worauf gründet sich Ihre Vermutung?«, fragte Jos Bosmans erstaunt.
»Intuition, die entfernte Tätowierung und natürlich …«, die dramatische Pause und der dazugehörige Schmollmund waren einfach göttlich, »die Fingerabdrücke. Die Leiche hatte nur etwa zwei Tage lang im Wasser gelegen, daher konnten noch brauchbare Fingerabdrücke genommen werden.«
»Und weiter?«, fragte Deleu unwillkürlich.
Nadia Mendonck sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an. Sie klimperte mit den langen Wimpern, zeigte ihre schneeweißen Zähne und fuhr fort: »Die Fingerabdrücke stimmen mit denen überein, die wir auf den Dokumenten in der ASB-Bank gefunden haben. Mit anderen Worten: Nadine Versluys lag tot in den Docks und nicht in ihrer Badewanne in der Wohnung am Viehmarkt.«
Die Stille fühlte sich unwirklich an.
Bosmans fand als Erster die Sprache wieder: »Seit wann wissen Sie das?«
»Seit vorgestern. Aber ich wollte erst noch die eine oder andere Einzelheit abklären, bevor ich die Ergebnisse …«
»Inspecteur«, fauchte Bosmans. »Ich dulde keine Einzelgänger! Ich verlange, dass solche Informationen umgehend … dass ich die Informationen auf dem Schreibtisch habe, noch bevor Sie selbst sich über die Tragweite im Klaren sind! Wir sind hier ein Team! Verstanden?«
Die himmlische Erscheinung nickte alles andere als irritiert und sagte: »Ich werde mich in Zukunft daran
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