Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
Benefizabend, an dem der Untersuchungsrichter »zufällig« mit Pardon an einem Tisch gesessen und ihm wegen der SM-Affäre auf den Zahn gefühlt hatte.
Für einen Moment wurde Jos Bosmans schwarz vor Augen. Er holte tief Luft, schluckte und murmelte: »Dieses … dieses Bild ist über zwei Jahre alt, das wissen Sie genau, Verspaille.«
»Kann sein, aber immerhin haben Sie an dem Tag denselben Mantel getragen wie heute,
mon cher
Josef«, entgegnete Claude Verspaille feixend und mit einem unverhohlen missbilligenden Blick auf den Lodenmantel.
Endlich begann es Bosmans zu dämmern. Die Puzzlestücke ergaben allmählich ein Bild. Fotos trugen kein Datum. Dieser Benefizabend. Das Ganze war inszeniert gewesen. Robert Pardon würde für immer unangreifbar bleiben. Unerreichbar. Unantastbar. Bosmans knirschte vor Wut mit den Zähnen, nahm von Verspaille und Belleville keine weitere Notiz und klopfte sich mit den Fingerspitzen gegen die Stirn.
Denk nach, Jos, denk nach! Die Presse weiß noch nichts von diesem Foto, sonst wäre es längst publiziert worden. Also muss es im Auftrag Verspailles entstanden sein.
Er riss sich zusammen, schluckte seinen Ärger hinunter und antwortete gespielt gleichmütig: »Wir werden sehen, Claude,
mon ami
.«
Unvermittelt sprang er auf, lief zur Tür und sagte: »Warten Sie noch einen Moment, ich bin gleich wieder da.« In der offenen Tür drehte er sich ein letztes Mal um: »Den Kollegen Belleville können Sie schon mal nach Hause schicken, denn die Ermittlungen im Fall Versluys und Bourgeois liegen wie gehabt in den kompetenten Händen von Jos Bosmans.«
Der Höcker auf Verspailles Hakennase wurde weiß, und die Augen traten hervor, doch noch bevor er etwas erwidern konnte, rannte Jos Bosmans bereits wie von Sinnen die Treppe hinunter.
Er stürmte in sein Büro, schob die Matisse-Reproduktion beiseite, öffnete mit vor Wut und Ärger zitternden Fingern den Safe und nahm den kleinen braunen Umschlag mit der Aufschrift »Verspaille« heraus.
»Elender Mistkerl«, murmelte er. Er knallte die Bürotür hinter sich zu und drückte auf den Aufzugknopf. Unter keinen Umständen wollte er außer Atem in der Festung des Oberstaatsanwalts erscheinen.
Als er das überdimensionale Büro ohne anzuklopfen wieder betrat, kam Claude Verspaille gerade aus dem angrenzenden Salon. Er hatte sich eine kostbare Havanna angezündet, ließ sich in seinen Clubsessel sinken und zwinkerte Belleville zu, der noch immer wie zur Salzsäule erstarrt an seiner Seite stand.
Bosmans taxierte seinen Kollegen, warf den abgenutzten Umschlag gespielt achtlos auf den polierten Schreibtisch und sagte hämisch: »Ah, noch hier, Jean-François? Auch gut. Dann weiß ja morgen alle Welt Bescheid.«
Verspaille nestelte nervös an seinem Hemdkragen herum. Er war so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass er die letzte Bemerkung überhört hatte. Nun bohrte er die Wurstfinger mit den vielen Ringen so behutsam in den Umschlag, als säße eine angriffslustige Tarantel darin, und zog vorsichtig das Foto heraus. Zu seinem Glück lag es mit der Bildseite nach unten, so dass der neugierige Jean-François Belleville umsonst die Augen verdrehte. Bevor er es umdrehte, sah Verspaille seinen Verbündeten an, der prompt den Blick abwandte und sich mit einem Spitzentaschentuch den Schweiß vom Doppelkinn wischte.
»Wir sind fertig, Mijnheer Belleville«, murmelte der Oberstaatsanwalt arrogant. »Sie können jetzt gehen.«
»Soll ich den Fall denn jetzt übernehmen?«, sträubte sich Belleville ein letztes Mal. »Wann erhalte ich die Unterlagen?«
Gelangweilt hob Verspaille den Blick, wedelte abfällig mit der Hand, als sei der Untersuchungsrichter nichts weiter als ein lästiges Insekt, und sagte: »Alles zu seiner Zeit.«
Erneut wedelte er mit dem offiziell aussehenden Dokument und wies Belleville mit einem kurzen Nicken höflich, aber bestimmt die Tür.
Während dieser sich mit gesenktem Kopf wie ein verarmter Aristokrat zurückzog, rief ihm Claude Verspaille hinterher: »Ich rufe Sie morgen früh an!«
Langsam drehte er das Foto um und verschluckte sich am Rauch seiner qualmenden Zigarre. »Bosmans, diesmal sind Sie zu weit gegangen, mein Freund. Das ist das Ende Ihrer Karriere!«, schrie er, dass sich seine Stimme überschlug.
Amüsiert betrachtete Bosmans den Schnappschuss in Verspailles Hand. Irgendein Marilyn-Monroe-Verschnitt saugte gerade an Verspailles Zunge, während er, königlicher Oberstaatsanwalt und Freund der Familie
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