Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
von Königin Fabiola, mit dem Zeigefinger eine entblößte Brustwarze befummelte.
»Raus hier, elender Dreckskerl!«
»Wollen wir tauschen?«, fragte Bosmans grinsend.
Der Oberstaatsanwalt zog an seiner Zigarre, murmelte etwas Unverständliches, das wie ein Stoßgebet klang.
Dann lachte er, dass seine nikotingelben, kariösen Zähnezu sehen waren, und fragte nachdrücklich: »Was wollen Sie damit erreichen, Bosmans?«
»Dass Sie die Finger von meinen Ermittlungen lassen«, antwortete Bosmans selbstsicher. »
C’est tout,
Mijnheer Verspaille.«
Als Antwort erntete er ein abgehacktes, höhnisches Lachen. Claude Verspaille konnte gar nicht mehr aufhören. »Glauben Sie wirklich, Sie könnten mich damit treffen? Jetzt hören Sie mir mal gut zu. Mit diesem Foto kommen Sie nicht weit. Meine Frau …« Verspaille machte eine kurze Pause und lud sein Gegenüber mit einer geschmeidigen Handbewegung ein, sich zu setzen. Die Szene erinnerte an das entscheidende Geständnis in einem Schmierenkrimi, wenn der Mörder, endlich geschnappt, ruhig und gefasst seine Geschichte erzählt. »Hören Sie zu, mein Freund. Meine Frau weiß, dass ich es mit der ehelichen Treue nicht so genau nehme, und sie hat sich gottlob damit abgefunden. Sie müssen verstehen, verehrter Exkollege, dass in unseren Kreisen andere Gepflogenheiten herrschen als in den Ihren.« Er inhalierte tief und blies den Rauch laut aus den dicken, rot geäderten Wangen in Richtung Zimmerdecke.
»
Canaille!
«, zischte er nach einer Weile ins Leere. »Aber Sie können mir nichts. Wenn Sie das an meine Frau schicken, wird sie nur gottergeben nicken, und das war’s.«
»Der Umschlag, mein verehrter, Vitamin-B-verwöhnter Kollege, ist aber nicht an Ihre Frau adressiert. Sondernan den Burggrafen Caudron de Quisbuer, Ihren Schwiegervater. Wollen wir doch mal sehen, ob der alte Tycoon auch darüber lachen kann.«
Verspaille blieb stumm.
»Okay«, sagte Jos Bosmans lächelnd. »Das war’s dann.
Au revoir,
Mijnheer. Ich hoffe, ich habe Ihnen nicht zu viel zusätzliche Arbeit aufgehalst.« Er drehte sich um und schritt ohne ein weiteres Wort in Richtung der Flügeltür. Dort angekommen, sagte er: »Erstens: Bis morgen Mittag ist, was meine Befugnisse hinsichtlich der Ermittlungen betrifft, alles wieder beim Alten. Zweitens: Wenn ich irgendwo auch nur den geringsten Widerstand spüre, schließe ich daraus, dass Sie dahinterstecken. Wie sieht’s aus,
mon cher ami?
«
Claude Verspaille starrte Bosmans mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen an.
Der grinste nur verschmitzt, öffnete die Tür und drehte sich noch ein letztes Mal um. »Ehe ich es vergesse: Ich will den Kopf des Bürgermeisters von Leest, und zwar auf einem Silbertablett,
Adieu
.«
Verspaille versank tief in seinem Thron und brachte kein Wort mehr über die Lippen.
20
Einen Chivas Regal in der einen, einen von Hand gerollten kubanischen Zigarillo in der anderen Hand, lag Robert Pardon vollkommen entspannt in der riesigen, mit einem üppigen Schaumbad gefüllten Badewanne. Im angrenzenden Schlafzimmer durchsuchte Michelle Bekaert seine Hosen- und Jackentaschen. Fehlanzeige. Der Safeschlüssel befand sich weder in seinem Portemonnaie noch in einer der Taschen.
Wo war er nur geblieben? Mist, ausgerechnet jetzt! Dabei hatte sie alles bis aufs i-Tüpfelchen vorbereitet. Die Kombination kannte sie auswendig. Bei ihrem letzten Treffen hatte sie Robert in dem mannshohen Spiegel beim Öffnen des Safes beobachtet. Zudem schien ihr Vicky Versavel, diese grässliche Kuh, mittlerweile schlachtreif zu sein. Und gerade jetzt, da ausnahmsweise einmal alles lief wie am Schnürchen, hatte dieser übergewichtige Pavian den Schlüssel nicht dabei! Dieser widerliche Idiot konnte aber auch garnichts gründlich erledigen. Wie in Gottes Namen war es ihm gelungen, in der Politik so hoch aufzusteigen? Er ahnte nicht einmal, dass ihm die Bullen auf den Fersen waren.
Michelle dagegen hatte den Kleinwagen, der sie vorgestern Abend ein gutes Stück verfolgt hatte, durchaus bemerkt, und sie war immer noch froh, dass sie sich auf dem Hinweg entschlossen hatte, ein Taxi zu nehmen.
»
Chérie?
Kommst du jetzt endlich? Oder muss Robi dich wieder holen?«, säuselte Robert.
Ein letztes Mal angelte sie mit ihren sorgfältig manikürten Händen in der Innentasche des stahlblauen Yves-Saint-Laurent-Blazers herum und fluchte verhalten. Auch nichts. Egal!
»Beeil dich! Wir haben nur zwei Stunden, und heute ist unser großer Tag!
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