Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
Ich bin schon ganz heiß auf dich!«
Michelle spannte die Nackenmuskeln an. Sie zog an ihren Fingern, dass alle Knöchel nacheinander knackten, und betrachtete ihr Spiegelbild, während sie den Kopf drehte. Sie spitzte die vollen Lippen und stellte zufrieden fest, dass die Kollagenbehandlung langsam, aber sicher Wirkung zeigte. Dann streckte sie beide Hände vor sich aus und grinste. Sie zitterten nicht. Rasch schlüpfte sie aus ihrem seidenen Unterkleid und zog Roberts Bademantel über ihre breiten Schultern. Mehrmals atmete sie schnell ein und aus. Sie war vollkommen entspannt.
Sekunden später betrat sie das imposante, mit französischen Fayencen in Zartrosa gekachelte Badezimmer. Robert öffnete die Augen und starrte sie gierig an. Wie immer gelang es ihr, ihren aufkommenden Ekel zu unterdrücken. Geschäft blieb Geschäft.
Mit einer einzigen eleganten Bewegung ließ sie den Bademantel von den Schultern gleiten. Als Robert ihre straffen Schenkel erblickte, richtete er sich mühsam auf und stellte das Whiskeyglas auf dem Rand der Badewanne ab. Er löschte die Zigarre in dem austernförmigen Kristallaschenbecher, steckte sie sich wieder zwischen die wulstigen Lippen und saugte lüstern daran.
»Psssttt …«, raunte Michelle beschwörend und schlich geschmeidig näher. »Bleib ruhig liegen und entspann dich, zuerst will ich dich mit einer ausgiebigen Massage verwöhnen.«
Pardon stöhnte. »Dann muss ich mich wohl umdrehen.«
»Nein, nein, bleib ruhig so liegen. Hast du deine Herztabletten genommen?«, flüsterte sie heiser und klimperte übertrieben schnell mit den falschen Wimpern.
Robert lag wie ein wuchtiger Brocken in einem Meer von Schaum, schloss die Augen und lehnte sich zurück, ein seliges Lächeln auf den Lippen. Die Himmelspforten öffneten sich.
Michelle umfasste seine Fußknöchel mit energischem Griff und massierte kräftig die massiven Waden. Dann stemmte sie mit einer raschen Bewegung ihre Füße gegenden Sockel der Badewanne, holte tief Luft, spannte jeden Muskel in ihrem sehnigen Körper an. Im nächsten Moment ließ sie sich hintenüberfallen und zog mit aller Kraft an Roberts Knöcheln.
Wie ein überdimensionaler Torpedo sauste er unter Wasser, und bevor er sich überhaupt wehren konnte, drückte ihn Michelle wieder an die Oberfläche. Die kaum durchnässte Zigarre noch immer im Mundwinkel, griff er sich an die Brust und fand sein Ende.
Michelle Bekaert sah sich ein letztes Mal um, um sich zu vergewissern, dass sie nichts Verdächtiges zurückließ. Sie griff die erste Zweiliterflasche Cola am Hals, schüttelte sie heftig und drehte den Verschluss ab. Dann hielt sie mit dem Daumen die Flaschenöffnung halb zu und versprühte den schäumenden Inhalt in alle Richtungen. Die Cola troff von der sündhaft teuren Tapete und hinterließ überall bräunliche Flecken. Die vierte und letzte Flasche kam im Badezimmer zum Einsatz. Die Spiegel, der Fußboden, die Badewanne … alles klebte. Dank ihres hohen Zuckergehalts würde die Flüssigkeit, das wusste Michelle genau, in eingetrocknetem Zustand sämtliche eventuellen Spuren unbrauchbar machen.
Danach verstaute sie die Flaschen und dann Roberts unversehrte sterbliche Überreste, abgetrocknet und angekleidet, in dem engen Lastenaufzug. Sie sprühte ihm einen Hauch Jules, sein Lieblings-Eau-de-Toilette, unter die Achseln und warf einen Blick auf ihreschicke Cartier-Armbanduhr, die einst Françoise Bourgeois gehört hatte.
Die charmante, wohlerzogene und kultivierte Französin hatte nie erfahren, dass die verkohlten Leichen in ihrem abgebrannten Haus Viktor Laplagne und Nathalie Barthez waren. Es war eine Heidenarbeit gewesen, Françoise davon zu überzeugen, sie in das kleine, aber unregierbare Belgien zu begleiten. Ein wahres Paradies für Menschen wie Michelle. Ein Paradies, in dem die Polizei erst jetzt die Mitglieder einer Verbrecherbande aufspürte, die in den siebziger Jahren das ganze Land terrorisiert hatte.
Noch immer bereitete es ihr insgeheim Vergnügen, daran zurückzudenken, wie sie das Komplott eingefädelt hatte. Françoise hatte vermutet, ihre Geliebte habe eine neue Freundin. Deshalb hatten sie das Haus angezündet, und anschließend war ihr die Französin, voller Angst vor der Verfolgung durch die Sûreté, ins sichere Belgien gefolgt.
Michelles Lächeln gefror und verwandelte sich in eine bissige Grimasse, als sie an den üppigen Versicherungsvertrag zurückdachte, den Nathalie Barthez zugunsten ihrer Freundin bei einem
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