Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
an der Hausfassade hinauf und fuhr los.
Gegenüber dem Rijkswacht-Revier in Hofstede hielt er an, blickte kurz in den Spiegel und rückte seine Krawatte zurecht. Erst halb sechs, und schon wurde es dunkel. Er seufzte, überquerte den Tervurensteenweg und betrat zögernd das schwach beleuchtete Polizeirevier.
Der diensthabende Unteroffizier, der gerade Feierabend machen wollte, warf Mardulier einen entnervten Blick zu, als dieser unsicher hervorbrachte, er wolle eine Person als vermisst melden.
»Worum geht es genau, Mijnheer? Ist Ihnen vielleicht die Geliebte davongelaufen?«, fragte der Polizist gereizt.
»Nein, es geht um eine Kundin unserer Bank. Sie klang vorhin am Telefon so komisch, und sie hat sich eine hohe Geldsumme überweisen lassen.«
»Na und?«, erhielt er nur zur Antwort.
»Na ja, normalerweise kommt sie wegen jeder Kleinigkeit sofort bei uns vorbei, denn sie arbeitet nicht. Sie hat Zeit im Überfluss und einfach sonst nichts zu tun. Diesmal dagegen …«, seufzte der Bankangestellte und nestelte an seinem fleckigen Ehering herum.
»Vielleicht ist sie zur Konkurrenz gewechselt, weil sievon Ihrer Einmischung genug hat«, sagte der Polizist hinter dem verkratzten perforierten Sicherheitsglas feindselig.
Der Mann am Schalter verzog brüskiert das Gesicht und antwortete achselzuckend: »Tja, vielleicht haben Sie recht, und ich war ein bisschen voreilig.« Er drehte sich um und sagte: »Bitte entschuldigen Sie.« Steifbeinig verließ er die Wache.
Der Unteroffizier blickte auf die Uhr, atmete erleichtert auf – um halb sechs noch eine Anzeige aufnehmen, bloß nicht! –, unterschrieb das Tagesprotokoll und fuhr mit seiner täglichen Feierabendroutine fort.
Als er nach etwa zwei Minuten widerwillig als Letztes seine Zeitung in die Aktentasche steckte, kam darunter eine zerknitterte Aktennotiz des Generalstabs zum Vorschein, die er am Morgen gelesen hatte. In der Mitteilung wurde darauf hingewiesen, ein besonderes Augenmerk auf Vermisstenanzeigen zu haben, besonders, wenn Personen unter rätselhaften Umständen verschwunden seien.
Der Polizist blieb einen Augenblick wie angewurzelt stehen und eilte danach zur Tür, wo er beinahe seinen Kollegen umgerannt hätte.
»Pass doch auf!«, rief dieser heiser. »Du kommst schon noch schnell genug nach Hause!«
Wie sehr sich der Polizist auch anstrengte, es gelang ihm nicht mehr, das Nummernschild des davonfahrenden Wagens zu entziffern. Der Toyota war bereits zuweit entfernt. Als er um die Ecke bog, bemerkte der Mann ein Firmenlogo auf der Beifahrertür, doch auch das verschwand zu schnell für seine müden Augen.
Er murmelte einen Fluch und dachte fieberhaft darüber nach, welche Ausrede er seinem Kollegen gleich auftischen sollte. Dann kehrte er langsam in die Wache zurück.
34
Dirk Deleu stand wutschnaubend im frischen Schnee vor der Redaktion von
Het Laatste Nieuws
und trat von einem Bein auf das andere. Die beißende Kälte und der pfeifende Wind konnten ihm offenbar nichts anhaben. Er warf einen Blick auf das halb beschlagene Zifferblatt seiner Rolex. Halb zwölf. Gustaaf Peeters’ roter VW Passat stand allein auf dem Parkplatz. Der Ermittler stampfte mit den Füßen auf und rieb sich die kalten Hände.
Sein Handy klingelte, doch er hatte keine Lust, den Anruf entgegenzunehmen, er machte sich nicht mal die Mühe, die Mailbox einzuschalten. Er ließ es einfach klingeln und vergrub die Hände tief in den Hosentaschen.
Ruckartig zog er die Rechte wieder heraus und faltete den Zeitungsausschnitt auseinander, der in der Tasche gesteckt hatte.
»Ermittler versuchen, das Chamäleon in die Falle zu locken.«
Erst ballte Deleu die Hand fest zusammen, dann zerriss er den Artikel in unzählige winzige Schnipsel, die mit den fallenden Schneeflocken zu Boden rieselten.
Es handelte sich um einen Artikel des Journalisten Peeters, auf Basis der fingierten Anzeige publiziert, die Deleu und Jos Bosmans als Köder für die Frauenmörderin in
Het Laatste Nieuws
aufgegeben hatten. »Das Chamäleon, lächerlich!«, zischte Deleu. Mit diesem reißerischen Namen hatte die Presse die Mörderin bedacht. Auch die Tatsache, dass es sich um eine Frau handelte, schienen die Damen und Herren Journalisten bereits als gegeben hinzunehmen. Wo hatte der Mistkerl bloß diese Information aufgeschnappt? Wie hatte er davon erfahren?
Deleu stampfte weiterhin von einem Fuß auf den anderen und zerbrach sich den Kopf bei dem Versuch, eine Erklärung dafür zu
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