Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
geantwortet. Stimmt’s, Mie?«
Die zarte junge Frau fuhr zusammen, nickte und senkte verlegen den Blick.
»Daraufhin hat sich die schicke Madame mit unserer Mie verabredet. Gott sei Dank bin ich mitgegangen.«
»Haben Sie die Anzeige noch?«, fragte Deleu dazwischen.
»Nein«, antwortete Mieke Demunter und schnappte nach Luft. Als Deleu sie daraufhin durchdringend ansah, stotterte sie: »Ich … weiß nicht.«
»Auf welche Art und Weise haben Sie das Treffen vereinbart?«, wandte sich nun Jos Bosmans an das Mädchen.
Währenddessen versuchte die Mutter kopfschüttelnd, sich erneut in den Vordergrund zu spielen. Allerdings gelang es ihr nicht, denn das Gespräch ging jetzt wie ein Tischtennisball zwischen den Ermittlern und ihrer Tochter hin und her.
»Ich hab anfangs gar nichts davon mitbekommen, Inspecteur. Sie hat von einer Telefonzelle aus angerufen. Da versucht man, seine Kinder anständig zu erziehen, und dann so was!«
»Welche Fragen hat sie Ihnen gestellt?«, wollte Bosmans von Mieke Demunter wissen.
»Ob ich Arbeit habe, ob ich selbst für meinen Lebensunterhalt aufkommen kann und wo ich momentan wohne.« Sie unterbrach sich und betrachtete verlegen die Spitzen ihrer abgetragenen Sneakers.
»Und?«, fragte Deleu.
»Juffrouw!«, bekräftigte Bosmans seine Frage.
»Ich … ich habe gelogen«, flüsterte sie. »Ich habe behauptet, ich wohne allein. Außerdem hat sie mich gefragt, ob ich auch nicht lesbisch bin«, fügte sie rasch hinzu.
»Das hast du mir alles gar nicht erzählt!«, sagte Rachel Noens erstaunt. »Du lügst ja wirklich wie gedruckt!«
»Warum haben Sie gelogen?«, fragte Deleu.
»Weil ich unbedingt von zu Hause weg wollte!«, antwortete die junge Frau jetzt lauter. Sie hob den Kopf und sah ihrer Mutter geradewegs ins Gesicht.
Gerade als diese wütend hochfahren wollte, flog Bosmans Bürotür auf, dass sie an die Wand knallte und beinahe aus den Angeln gesprungen wäre. Alle Blicke richteten sich auf die Tür, in der Wachtmeester Degroef erschien, der am Arm der wutschnaubenden Nadia Mendonck hing. Sie zog den etwa achtzig Kilo schweren Mann hinter sich her.
»Lassen Sie mich endlich los! Ich muss unbedingt zu Bosmans, und Sie werden mich nicht davon abhalten!«
Als sie Bosmans erblickte, schrie sie mit einem wilden Blick in den rot umränderten Augen: »Ich will arbeiten! Und zwar sofort! Ich habe die Nase voll, zu Hause rumzusitzen, zu grübeln und die Wand anzustarren! Ich brauche Beschäftigung, verdammt noch mal!«
»Ist ja gut«, antwortete Jos Bosmans erstaunlich ruhig. »Ich sehe, dass Sie zu großen Aufgaben bereit sind. Und jetzt verlassen Sie bitte wieder mein Büro. Wir sprechen uns, wenn diese Unterhaltung hier beendet ist.«
Nadia Mendonck blieb stocksteif stehen.
»Sobald wir diese Unterhaltung hier abgeschlossen haben«, wiederholte Bosmans ein wenig nachdrücklicher, während der Wachtmeester mit ratlosem Blick am Revers seiner Uniform herumzupfte. Vergeblichversuchte er, Nadia Mendonck wieder zu ergreifen, doch sie presste beide Arme fest an den Körper.
Rachel Noens leckte sich die Lippen und beobachtete neugierig das Geschehen. Das war ja interessanter als jeder Familienstreit. Ihre Nachbarin Angèle würde ihr das niemals glauben, wenn sie es ihr später erzählte.
Dirk Deleu stand ein wenig steif auf, ging auf Nadia zu, nahm sie am Arm und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Daraufhin ließ sie sich ohne Zwang hinausführen.
»Kann ich den Damen etwas zu trinken anbieten?«, fragte Bosmans, als sei nichts geschehen.
»Nein, danke«, kam es wie aus der Pistole geschossen. Das »Ach, wenn das so ist, hätte ich gerne ein Bier« folgte wesentlich später, dafür klang es umso aufrichtiger.
»Wachtmeester?«, sagte Bosmans, der endlich wieder mit den beiden Zeuginnen allein sein wollte.
»Tut mir leid, Mijnheer Untersuchungsrichter, ich habe wirklich alles versucht, um sie …«, stotterte dieser und machte eine unbeholfene Geste.
»Bitte sorgen Sie für die Getränke, Wachtmeester!«, unterbrach ihn Jos Bosmans und legte all seine angeborene Autorität in diesen einen kurzen Satz.
Der Mann nickte, drehte sich um die eigene Achse und räumte sichtlich erleichtert das Feld.
Nachdem Deleu über eine halbe Stunde lang auf Nadia eingeredet hatte, kam er zurück. Er konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. Jos Bosmans hatte nichtauf ihn gewartet, sondern war gerade dabei, das Gespräch zu beenden.
»Der Kollege nebenan wird Ihre Aussagen aufnehmen.
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