Bosmans/Deleu 02 -Totenspur
dass einige Gäste zu ihnen herübersahen, dämpfte er die Stimme: »Bis hin zu seinem Automechaniker, dem Zahnarzt, dem Apotheker in Antwerpen, bei dem er sich jeden Monat eine Extraration Kondome besorgt hat, und dem Kioskbesitzer an der Ecke, bei dem er sich einmal im Monat eine Schachtel Tictac gekauft hat.«
»Okay, das klingt gut«, sagte Deleu und machte eine beschwichtigende Geste. »Wie spät ist es eigentlich?«
»Mist!«, fluchte Bosmans, der auf seine Armbanduhr blickte und prompt sein Hoegaarden leerte. »Die Zeugin wartet schon auf uns, komm mit!«
»Welche Zeugin?«, fragte Deleu und stolperte hinter ihm her.
»Hab ich dir doch gesagt, die Frau, die sich auf
Oproep 20-20
hin gemeldet hat.« Bosmans drehte sich grinsend um und flüsterte: »Gott sei Dank, dass dein Kopf an deinem Hals festsitzt!«
Dirk Deleu antwortete mit einer wegwerfenden Geste, fixierte achselzuckend die verräuchterte Stuckrosette an der Decke und legte einen Zahn zu, als er merkte, dass sein Chef bereits an der Tür war. Er hielt sich die rechte Hand vors Gesicht, denn es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass das Energiebündel Jos Bosmans ihm, wenn auch unbeabsichtigt, die Tür vor der Nase zugeschlagen hätte.
32
Jos Bosmans hastete, gefolgt von Dirk Deleu, in sein Büro. Die einfältig wirkende Frau in der ärmellosen Holzfällerweste thronte mitten vor seinem Schreibtisch, drehte den Kopf von rechts nach links und genoss die Aufmerksamkeit, die ihr zuteilwurde, in vollen Zügen. Es war, als sei sie Zeugin in einem Mafiaprozess.
Wenn das nicht mal wieder eine Niete ist, dachte Bosmans, während er der schmalen jungen Frau, die sich hinter dem breiten Rücken der Älteren verbarg, kräftig die Hand schüttelte.
»Mevrouw Noens, guten Tag. Ich bin Jos Bosmans, und das hier ist mein Kollege Dirk Deleu.«
»Sie hab ich schon mal im Fernsehn gesehen!«, trompete die Frau und deutete ungeniert mit ihrem schwieligen Zeigefinger auf Deleu. »Schau, Mie, so sieht ein echter Untersuchungsrichter aus«, wandte sie sich an ihre Tochter.
Als Bosmans sich räusperte und mit den Worten: »Entschuldigung,aber ich bin der Untersuchungsrichter«, den Irrtum richtigstellte, wandte die junge Frau verlegen den Blick ab.
Ihre Mutter, für einen Augenblick aus dem Konzept gebracht, kratzte sich unter ihrer behaarten Achsel und erwiderte: »Auch gut.«
»Na, dann erzählen Sie mal«, sagte Bosmans ziemlich kurz angebunden. Er kam sich vor wie in einer Seifenoper.
»Also, Mijnheer Untersuchungsrichter, wenn Sie wüssten, was ich mit der Frau, die Sie suchen, dieser Nadine Versluys, alles mitgemacht habe!«, klagte Rachel Noens mit in die Seiten gestemmten Händen im besten Schmierenkomödiantenstil.
Weder Deleu noch Bosmans reagierte.
Rachel Noens tippte mit der Fußspitze heftig auf den Boden und zeigte auf ihren Schuh. »Die schicke Madame hat mir mit ihren riesigen Füßen zuerst in den Bauch getreten und mir dann ihren Pfennigabsatz auf die Kehle gedrückt. Sie hat bestimmt Schuhgröße zweiundvierzig. Mir wird jetzt noch ganz anders, wenn ich daran denke. Jede Nacht träume ich davon.« Beifallheischend blickte sie ihre Tochter an, die jedoch ebenfalls nicht darauf einging.
»Schuhgröße zweiundvierzig?«, fragte Deleu.
Deleu und Bosmans sahen sich an, aber keiner fühlte sich zu einem weiteren Kommentar berufen.
»Meinen Sie, ich könnte Schmerzensgeld dafür verlangen, wenn das so weitergeht?«, jammerte die Frau.Wieder erhielt sie keine Antwort. »Vielleicht aus der Rentenkasse. Mein Fons und ich, wir sind einfache Leute, wir kennen uns da nicht so gut aus, wissen Sie.« Auch auf das unvermeidliche kameradschaftliche Augenzwinkern hin blieb Bosmans ungerührt. »Ich hab eben noch zu meiner Mie gesagt, wenn wir schon mal hier sind, können wir gleich auch Leute fragen, die sich mit so was auskennen. Sie wissen da sicher viel besser Bescheid als wir, stimmt’s? Was meinen …«
»Fragen Sie doch bei Gelegenheit einfach mal Ihren Versicherungsvertreter um Rat«, schnitt Bosmans ihr das Wort ab.
Deleus Schnaufen hätte man mit einiger Fantasie für die Symptome einer beginnenden Erkältung halten können.
Da klingelte Bosmans’ Handy. Mit einer routinierten Bewegung schaltete er die Mailbox ein.
»Gut, Mevrouw Noens, jetzt erzählen Sie uns mal die ganze Geschichte.«
»Na, unsere Mie hat – Gott weiß warum, denn besser als bei uns zu Hause kann sie es nirgendwo haben – auf eine Anzeige in der Zeitung
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