Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
begriff, dass er veralbert wurde.
Deleus klingelndes Handy bereitete dem Schauspiel ein abruptes Ende. Den Apparat zwischen Wange und Schulter geklemmt, sprang er in den Golf und raste los.
»Hallo?«
»Dirk?«
»Ja?«
»Ich bin’s, Jos. Komm bitte sofort in die Uniklinik!«
»Jos, ich habe …« – klick – »… etwas herausgefunden.«
[home]
12
D ürfte ich jetzt bitte mal ausreden? Ich habe heute noch ein paar andere Dinge zu tun!« Der Gerichtsmediziner räusperte sich. »Erstens: Der Junge war seit knapp zwei Tagen tot. Zweitens …«
»Sind Sie hundertprozentig sicher?«, unterbrach ihn Bosmans zum x-ten Mal.
»Wir haben Maden der blauen Schmeißfliege gefunden, von denen sich noch keine verpuppt hatte«, erklärte Van Grieken, und es klang derart routiniert, dass niemand es wagte, ihn noch einmal zu unterbrechen. Der Gerichtsmediziner schaute gereizt Pierre an, der daraufhin zu Boden blickte, ehe er seine Ausführungen beendete. »Die blaue oder grüne Schmeißfliege gehört zu den ersten Insekten, die sich auf einer Leiche niederlassen. Sie legen Eier, aus denen nach vierundzwanzig Stunden Maden schlüpfen. Diese Maden verpuppen sich nach etwa zehn Tagen. So, das war’s.«
»Sie haben gerade von maximal zwei Tagen gesprochen«, wandte Bosmans wagemutig ein. »Woher wissen Sie denn, dass die Maden genau zwei Tage …«
»Weil wir die Viecher unter dem Mikroskop seziert haben und anhand von …«
»Schon gut, schon gut! Bitte fahren Sie fort.«
»Der Tod muss unmittelbar eingetreten sein. Der erste Stich war tödlich, denn er durchbohrte die Nieren. Die übrigen Stiche waren …« Der Gerichtsmediziner zögerte.
»Ja?«, fragte Bosmans forsch.
»Waren … Wie soll ich sagen? Sie wurden post mortem zugefügt. Wenn Sie mich fragen, würde ich sagen, sie dienten nur dazu …«, wieder zögerte er, »… dem Mord einen anderen Charakter zu verleihen. Eine andere Dimension. Einen anderen Anschein. Dieser junge Mann wurde professionell ermordet, und dann hat der Täter nach seinem Tod, der augenblicklich eintrat, noch mehrmals mit dem Messer auf ihn eingestochen.«
»Ein Profi, der instinktiv handelt und anschließend versucht, seine Treffsicherheit zu verschleiern?«, fragte Frank Tack.
»Genau. Wie gesagt, ich kann das nicht belegen, es ist und bleibt reine Spekulation. Dem Jungen wurde das Handgelenk umgedreht, und zwar von einem sehr kräftigen Menschen, denn es war ausgerenkt. Und dann die Schmauchspuren an der rechten Hand. Aber das habe ich ja bereits erwähnt.«
»Also hat der Junge geschossen?«, fragte Bosmans.
»Ja, so viel ist sicher.« Der Gerichtsmediziner schob den Bericht in seine Aktentasche und verschloss sie. »Ich lasse Ihnen dann also die Kopien zukommen?«, fragte er routiniert, während er die Tasche, an der die Griffe fehlten, unter den rechten Arm klemmte und zur Tür ging.
»Danke, Doktor Van Grieken«, murmelte Jos Bosmans, ohne aufzublicken.
Pierre brach als Erster das Schweigen, nachdem der Arzt gegangen war. »Wie sieht es mit der ballistischen Untersuchung aus?«
»Übermorgen haben wir die Ergebnisse«, antwortete Bosmans und fuhr dann fort: »Gut. Ich bleibe dabei. Sämtliche Fingerabdrücke in der Wohnung müssen identifiziert werden.«
Die Tür flog mit einem Knall auf, und ein keuchender Deleu platzte herein. »Das Zakouskie … Der Junge ist ab und zu ins Zakouskie gegangen.«
Für einen Moment herrschte absolute Stille.
»Drogen. Zakouskie. Dewolf!« Frank Tack schaute mit abwesendem Blick hinauf zur verräucherten Decke und hieb sich mit der Faust in die Handfläche. »Vielleicht gibt es einen Zusammenhang. Wir müssen die Wohnung auf Spuren von Drogen überprüfen.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte Bosmans skeptisch.
»Die Wohnung war von oben bis unten auf den Kopf gestellt. Der Mörder hat nach irgendetwas gesucht.«
Tack musterte Deleu.
»Der Vater des Toten vermutet, dass sein Sohn ab und zu gedealt hat«, sagte Deleu. »Wobei ›dealen‹ natürlich ein dehnbarer Begriff ist.«
Bosmans klopfte sich mit den Fingerknöcheln an die Stirn, als suche er nach einem Hohlraum. »Der Revolver. Wir müssen die Waffe finden. Vielleicht ist es sogar dieselbe wie die, mit der Dewolf ermordet wurde.« Er griff nach seinem Handy und wählte eine einprogrammierte Nummer. Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis im kriminaltechnischen Labor jemand abnahm. »Ja, ich möchte, dass das Projektil aus Dewolfs Kopf mit jenem verglichen wird, was
Weitere Kostenlose Bücher