Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
gegeben hat, sind Beschwerden und unzusammenhängendes Gefasel über Polizeischutz. Als sei er Kronzeuge in einem Mafiaprozess.
Abram starrte Bosmans fragend an.
»Jos Bosmans, Untersuchungsrichter, Leiter der Ermittlungen im Fall Dewolf und in weiteren Mordfällen«, stellte dieser sich vor.
Ungeschickt schüttelte das grüne Stadtratsmitglied die ausgestreckte Hand mit der Linken. »Ich werde nichts sagen, bevor Sie mir nicht versprechen, mich unter Polizeischutz zu stellen, und zwar rund um die Uhr. Mich und meine Familie.« Er zeigte auf die Plastiktüte. »Sie werden gleich verstehen, warum ich darauf bestehen muss.« Sein gewinnendes Lachen wirkte absolut fehl am Platz.
»Mijnheer Abram, wir garantieren jedem belgischen Bürger polizeilichen Schutz rund um die Uhr«, antwortete Bosmans, und es klang sogar vollkommen ernst.
Deleu warf Vandevelde einen skeptischen Blick zu. Es war, als blicke er in einen Spiegel.
Abram rutschte auf seinem Stuhl hin und her und öffnete den Mund, in dem mehrere Goldzähne blitzten.
»Sagen Sie uns, was Sie auf dem Herzen haben, Mijnheer Abram. Ich glaube nicht, dass Sie eine andere Wahl haben.« Bosmans blieb ganz ruhig.
»Ich möchte gegen Murat Marouf aussagen.«
Stille trat ein. Frank Tack hielt sogar den Atem an. Der rundliche Marokkaner blickte die Anwesenden einen nach dem anderen an und genoss sichtlich deren Verblüffung. Bevor irgendjemand etwas erwidern konnte, fügte er hinzu: »Allerdings nur, wenn Sie mich unter Schutz stellen und mir garantieren, dass die ganze Bande hinter Schloss und Riegel wandert. Ich möchte mich weiterhin auf die Straße wagen und meine Kinder unbeaufsichtigt draußen spielen lassen können, wenn das hier vorbei ist.« Deleu schluckte eine sarkastische Bemerkung hinunter und musterte Jos Bosmans, der an seiner Unterlippe zupfte.
»Wie konkret sind denn …«
»Mehr als konkret!«, zischte Abram und legte die Tüte vor sich auf den Tisch. »Hier drin steckt genügend Beweismaterial, um Marouf für den Mord an Commissaris Dewolf zu verurteilen.« Seine Augen funkelten. »Und ihn für immer aus dem Verkehr zu ziehen«, schloss er.
Die Ermittler reckten die Hälse, um die Plastiktüte besser sehen zu können, die auf einmal ins Zentrum des Interesses gerückt war. Abram ließ sich absichtlich viel Zeit. Nadia Mendonck hüstelte nervös, während Frank Tack, der ahnte, was kommen würde, weiterhin auf seine gefalteten Hände starrte.
»Nichts anfassen«, flüsterte Bosmans leise. »Was ist da drin?«
Abrams kleine Augen verliehen seinem Gesicht trotz ihrer runden Form etwas Asiatisches. Durch die zusammengepressten Lippen hindurch atmete er tief aus. »Die Drogen, für die Dewolf ermordet wurde. Auf dem Päckchen finden Sie Dewolfs Blut und Maroufs Fingerabdrücke. Marouf hat den Commissaris ermordet. Benaoubi und el Hidrissi, zwei Jugendliche, die ab und zu kleine Jobs für ihn erledigen, haben die Leiche auf seinen Auftrag hin entsorgt. Die beiden haben ihn in Maroufs Wagen zum Kastanjedreef gebracht und mit Säure übergossen. Dann haben sie seine Kleider mit einem Stein beschwert in den Teich geworfen.«
Abram blickte selbstzufrieden in die Runde. Seine sorgfältig ausgetüftelte Version des Tathergangs schindete offenbar Eindruck, denn niemand sagte ein Wort.
Deleu blickte seinen Chef unverwandt an, denn er spürte, dass Bosmans dasselbe dachte wie er.
Woher kennt Abram all diese Einzelheiten? Einige von ihnen sind nie an die Öffentlichkeit gelangt.
Bosmans räusperte sich. »Mijnheer Abram. Ich garantiere Ihnen Polizeischutz rund um die Uhr, und zwar in einer Zelle. Ich nehme Sie nämlich in Schutzhaft. Möchten Sie einen Rechtsanwalt?«
Abrams breites Grinsen unterbrach seinen Redefluss.
»Mijnheer Untersuchungsrichter. Diese Informationen stammen nicht von mir. Ich habe sie von Said el Hidrissi. Der Junge wollte aussteigen und hat mich an dem Abend aufgesucht, bevor er erschossen wurde. Er brachte mir dieses Päckchen, das er von Marouf gestohlen hatte. Er hatte Todesangst, nachdem sein Freund Yussuf ermordet worden war. Murat Marouf lässt niemals einen Zeugen am Leben. Nie. Solange Kerle wie er ihr Unwesen treiben, werden wir Marokkaner hier in Belgien niemals akzeptiert werden. Ich schäme mich für mein eigenes Volk, wenn ich an ihn denke.«
»Mijnheer Abram«, sagte Bosmans bedächtig. »Wir werden Ihr Vertrauen nicht enttäuschen.« Er schob seinen Kugelschreiber unter die Henkel der Tragetasche, zog sie zu sich
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