Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
Handtasche und legte ein Brillenetui aus weißem Leder auf den Tisch. Deleu las Christian Dior auf dem geschmackvollen Accessoire, legte das Kinn in die Hand und wartete ab. Danielle holte einen Plastikbeutel mit rotem Druckverschluss heraus, in dem sich eine Spritze mit einer roten Flüssigkeit befand.
Blut.
Im nächsten Moment schlug sie beide Hände vor die Augen, und zwischen ihren Fingern lugten dicke schwarze Wimpern hervor.
»Murat gibt sein Leben für das von Ali.«
Deleu sah sie fragend an.
»Das Blut ist HIV -verseucht«, erklärte Danielle.
»Wie bitte?«
»Aids. Murat hat es untersuchen lassen.«
Deleu sagte nichts, trank stattdessen noch einen Schluck Bourbon. Danielle sah ihn lange an. Lange und eindringlich, als wolle sie mit ihrem Blick seine tiefsten Gefühle ergründen. »Murats Sohn Ali ist fünf Jahre alt. Er ist entführt worden. Schon vor vierzehn Tagen.«
Ihre Mitteilung schlug ein wie eine Bombe. Es waren einfach zu viele Informationen in zu kurzer Zeit. Deleu sprang auf, blieb stocksteif stehen und setzte sich nervös wieder hin. Blitzschnell zog sein auf Hochtouren arbeitendes Gehirn die richtigen Schlüsse.
»Mist! Deshalb …«
»… sagt er nichts. Genau. Er löst seine Probleme grundsätzlich selbst. Wenn er wüsste, dass ich zu einem Polizisten gegangen bin, würde er mich töten, davon bin ich fest überzeugt. Aber du bist ja nicht bei der Polizei. Nicht mehr.«
Deleu schüttelte den Kopf, als wolle er die Flut von Informationen an die richtige Stelle rütteln.
»Ich werde dich sehr gut bezahlen. Ich habe eine Vollmacht für Murats Konten in der Schweiz und in Guinea.«
Der ehemalige Ermittler winkte ab. Danielle war plötzlich mehr als nur eine attraktive Frau, sie war ein Mensch, ein Mensch in Not. Er fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die Haare und versuchte nochmals, seine Gedanken zu ordnen.
»Weißt du, wer …?«
»Naib Abram. Das glaubt jedenfalls Murat, denn er hat einen anonymen Hinweis erhalten. Abram ist schon lange hinter uns her. Er hat die Absicht, die Kontrolle über den Mechelner Drogenhandel zu übernehmen. Murat würde das niemals zugeben, aber er hat Angst. Abram ist mächtig und hat einflussreiche Freunde. Naib Abram ist Politiker.«
»Früher waren die beiden doch einmal befreundet?«
»Nein, das waren sie nie. Sie haben einander geduldet, sonst nichts. Abram hat Murat reingelegt. Er ist mit dem Päckchen Drogen zu uns nach Hause gekommen, angeblich, damit Murat die Ware begutachten konnte. Ich war dabei. Murat hat Abram daraufhin hinausgeworfen, er war völlig aufgebracht. Murat hat nie mit harten Drogen gehandelt, weder damit noch mit Waffen. Aber er hat das Drogenpäckchen angefasst, weshalb seine Fingerabdrücke darauf waren.«
Deleu lauschte mit angehaltenem Atem, als wäre nur noch für wenige Augenblicke Luft in dem engen Raum.
»Hat Murat wirklich nicht mit Koks gedealt?«, fragte Deleu und sah Danielle an, als ergründe er nun seinerseits die Tiefen ihrer Seele. »Du musst mir die Wahrheit sagen. Wenn du mich anlügst, kann ich nichts für dich tun.«
»Hat die Polizei in unserem Haus harte Drogen gefunden?«, konterte Danielle seine Frage mit einer Gegenfrage.
»Nein, nur weiche und ein paar Amphetamine. Wie ist Abram an das Koks gekommen?«
»Das alles weiß ich nicht. Ich weiß nur das, was ich dir gerade erzählt habe. Das war’s. Mehr nicht.«
»Glaubst du, Abram ist nur ein Strohmann?«
Danielle zuckte mit den zarten Schultern. »Murat vermutet es, denn Naib Abram würde seine Seele verkaufen für Geld und Macht. Vor allem für Macht. Seine Seele und sein Volk. Murat hat oft gesagt: ›Die wollen uns aus dem Weg räumen.‹ Immer wieder hat er das gesagt. Seiner Meinung nach ist Naib Abram nichts weiter als ein Instrument in der Hand der Rechtsextremisten.«
Deleu kniff die Augen zu. In seinem Gehirn gab es einen Kurzschluss, es tilte wie ein Flipper. »Haben die beiden Jugendlichen für Murat gearbeitet? Said el Hidrissi und Yussuf Benaoubi?«
»Ja. Sie haben ab und zu Gras und Haschisch für ihn verkauft. Alle Jungs im Zakouskie dealen ab und zu.«
»Hat er die beiden ermorden lassen?«
Wenn Blicke töten könnten, hätte Deleu kaum die nächste Sekunde überlebt. Er beschloss, dieses Thema fortan zu meiden. Das Schweigen war drückend, und da er nicht wusste, wie er sich verhalten sollte, machte er ein paar Mal die Schreibtischschublade auf und zu.
»Nein, die Jungs würden niemals einen Mord begehen. Yussuf
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