Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
schießen. Er hat aus jeder Distanz getroffen. Zwei von drei Mal ›aux carraux‹. Wie hieß dieser sympathische Genussmensch gleich noch? Bernard? Nein, Bertrand. Bertrand Parnasse. Bebert für seine Freunde.
Bosmans lächelte und nippte an seinem Ricard. Während er den vollen, sahnigen Anisgeschmack auskostete, tat der Alkohol seine Wirkung, und seine Sinne trübten sich angenehm.
»Kommst du zum Essen, Schatz?«
Bosmans schlurfte voller Vorfreude zur Küche. Bei der Frage »Wie geht es Dirk?« verging ihm jedoch schlagartig der Appetit.
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I n der Consciencestraat blickte Dirk Deleu, die Füße nachlässig auf dem Metallschreibtisch, den er günstig auf dem Flohmarkt erstanden hatte, auf die Milchglastür. Das Ende des Tages, des ersten Tages, machte ihn wehmütig. Er schenkte sich ein Glas Wasser ein, schloss die müden Augen und gähnte. Die Haare seiner Koteletten knisterten, als er mit den Fingern hindurchfuhr.
Mal Koteletten, mal nicht, das geht schon mein ganzes verdammtes Leben lang so. Was soll das alles bloß?
Mit beiden Fäusten hieb er auf die Metalltischplatte. Es klang wie ein Gong-schlag in einem billigen Kung-Fu-Film.
Trotz der Hitze überlief ihn ein Schauer, als er die Augen wieder öffnete. »vitketedtavirP UELED KRID « las er in Spiegelschrift. Skeptisch spitzte er die Lippen. Schrieb man »Privatdetektiv« nun zusammen oder getrennt? Es spielte keine Rolle, und ein Bindestrich war bei den Klebebuchstaben sowieso nicht dabei gewesen. Er atmete tief ein, schloss die Augen und nippte an seinem Glas lauwarmem Bourbon. Der Kühlschrank hatte bei diesen tropischen Temperaturen den Geist aufgegeben.
Eine Lizenz besaß Deleu nicht.
Nicht nötig. Darum kann ich mich später noch kümmern, im Moment muss ich erst mal Geld verdienen. Viel Geld.
Die halbseitige Zeitungsanzeige hatte ihn ein Vermögen gekostet, und auch die monatlichen Unterhaltszahlungen für Barbara und die Kinder waren erheblich. Scham empfand er seltsamerweise nicht. Nicht mehr.
Vor der Tür erschien die schlanke Silhouette einer Frau, und der Schatten blieb reglos stehen. Seit dem heutigen Tag war der Privatschnüffler Dirk Deleu im Geschäft. Es fehlten nur der speckige Filzhut und die bildschöne Sekretärin. Dümmlich grinsend starrte der ehemalige Ermittler den Schatten an.
Die ideale Sekretärin?
Die Frau war bereits seine dritte Klientin.
Na ja, Klienten. Vielmehr Besucher.
Als Erstes war sein Schwiegervater Roger Wittewrongel vorbeigekommen und hatte den Unterhalt für Barbara und die Kinder kassiert. Schließlich befand sich Deleu bereits drei Tage im Rückstand. Er hätte das Geld ja rechtzeitig überwiesen, doch der Schwiegervater weigerte sich standhaft, seine Bankverbindung herauszurücken. Als ob er, Dirk Deleu, gerissen genug gewesen wäre, das Konto allein anhand dieser Daten zu plündern! Wittewrongel, der über die Zeitungsanzeige an seine Adresse geraten war, hatte sich tatsächlich von einem Gerichtsvollzieher begleiten lassen und in dessen Beisein die Quittung für das erhaltene Bargeld unterzeichnet.
Der zweite Besucher, der kaum eine Viertelstunde später erschien, war Pierre gewesen. Vindevogel, der nach seinen eigenen Worten in letzter Zeit schlecht schlief. Aber das war auch kein Wunder. Verstappen hatte Deleu anvertraut, dass Pierre in den letzten Wochen auf dem Schießstand ausschließlich mit der Linken schoss, als wolle er etwas beweisen. Der schielende Kollege, der trotz seines Handicaps als renommierter Schütze galt, traf mit der Linken nicht mal die Scheibe.
Was willst du beweisen, Pierre? Dass man mit der Rechten schießen kann, auch wenn man Linkshänder ist? Wahrscheinlich. Du hast abwesend gewirkt. Erst als du ein paar mögliche Spuren genannt hast, von denen nichts in der Zeitung stand, warst du wieder halbwegs der Alte. Du sagtest, ich könne von dir sämtliche Informationen erhalten, die ich für meinen neuen Job brauche. Suchst du einen Freund, Pierre? Es sah fast so aus, als wolltest du dich um eine Stelle bewerben. Verstappen ist ausgestiegen. Er also auch. Freiwillig aus dem Dienst ausgeschieden! Wo der jetzt wohl steckt?
Sie hatten zusammen getrunken und geraucht, und nach anderthalb Stunden hatte sich Pierre wieder verabschiedet. Deleu hatte die ganze Zeit das Gefühl gehabt, dass seinem ehemaligen Kollegen etwas auf der Seele lag, aber er hatte es wohl nicht geschafft, es auszusprechen.
In dem Moment, als Deleu einen seiner Füße vom Schreibtisch hob, schwang die
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