Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
Geständnis, doch für die Presse gab es ausreichende Beweise für ein »Lebenslänglich«.
Die Pressekonferenz war der reinste Hexenkessel gewesen. Die äußerst vorsichtigen und differenzierten Antworten, die Jos Bosmans tags zuvor geäußert hatte, wurden am nächsten Tag völlig aus dem Zusammenhang gerissen zitiert. Der DNA -Test des getrockneten Blutes hatte im Übrigen nichts ergeben, da es nicht mehr in Ordnung war.
Während der langen Verhöre hatte sich Marouf in stures Schweigen gehüllt, verschlossen wie eine Tresortür. Bosmans war ratlos, denn selbst bei der Gegenüberstellung mit Abram sagte Marouf kein Wort. Er pulte lediglich an seinen manikürten Fingernägeln und rauchte ab und zu eine Zigarette. Als der Untersuchungsrichter ihm das Beweismaterial vorlegte, die Drogen mit Dewolfs Blut und Maroufs Fingerabdrücken, rümpfte er nur arrogant die Nase und spie auf den Boden.
Bosmans war aufgefallen, dass Abram dasaß wie ein verschrecktes Kaninchen, Marouf hingegen erhaben wie ein Fürst. Auch was seine Motive anging, konnte man nur raten. Abrams Erklärung, Dewolf habe Marouf mit dem Päckchen Koks in einem Koffer erwischt, basierte auf dem Bekenntnis des verstorbenen Junkies und Dealers Said el Hidrissi, den Pierre Vindevogel unter verdächtigen Umständen erschossen hatte. Die Waffe in el Hidrissis Hand konnte auch bei weiteren Untersuchungen nicht identifiziert werden. Die Seriennummer der Colt Python war fachgerecht weggefeilt worden, und nicht mal der Elektrodentest hatte etwas ergeben. Bosmans war bei dem Test persönlich dabei gewesen. Erst wurde die Stelle, an der sich die Seriennummer befunden hatte, gründlich entfettet, dann wurde die Waffe über zwei Drähte an eine ganz normale 4,5-Volt-Batterie angeschlossen und anschließend das gereinigte Fleckchen mit Salzsäure übergossen.
Bosmans erinnerte sich daran, dass er neben dem Polizeifotografen gestanden hatte. Dieser hielt seine Kamera bereit, um die Seriennummer bei ihrem Erscheinen zu fotografieren. Doch sie glühte nicht auf. Es geschah rein gar nichts. Unter normalen Umständen leuchtete die Nummer bei diesem Test auf, ganz kurz nur, da das Material an der Stelle, an der die Nummer ursprünglich eingestanzt worden war, eine andere Beschaffenheit aufwies.
Wenn da kein Profiam Werk war, dann weiß ich es auch nicht mehr. Derjenige, der den Revolver benutzt hat, muss genau gewusst haben, dass die Polizei den Elektrodentest anwenden würde. Der Test funktioniert nur ein einziges Mal, und das wusste der Dreckskerl auch.
Jos Bosmans stemmte den Ellbogen in die handbestickten Kissen seiner verstorbenen Tante Emmy und schloss die Augen. Die Abendnachrichten konnten ihm gestohlen bleiben.
Hat Murat Marouf etwa auch den jungen Benaoubi aus dem Weg räumen lassen? Und wenn ja, warum? Der Junge hat ab und zu Handlangerdienste für ihn erledigt. Frank Tack hat das überprüft. Ein Informant hat berichtet, der Junge habe hier und da mit Gras und Haschisch gedealt, nicht mit harten Drogen. Hat der Junge den Mord beobachtet? Hat er das Koks unterschlagen, und ist Marouf dahintergekommen? Wenn Marouf den Mord begangen hat, wie ist dann der Junge an das Koks geraten? Kann ein Achtzehnjähriger einen so professionellen Mord begangen und sich anschließend mit einer Partie Koks im Wert von fünfundzwanzigtausend Euro aus dem Staub gemacht haben? Viele Fragen, keine Antworten. Der x-te Sensations-prozess erweist sich schon im Vorfeld als harte Nuss.
Jos Bosmans murmelte einen Fluch und ließ die Zeitung auf das Sofa fallen.
»Was hast du denn?«, fragte Maud.
»Ach, Ärger bei der Arbeit. Mach dir nichts draus.«
Bosmans löste die Schnürsenkel seiner Sommerschuhe, zog die Strümpfe aus und roch daran. Er stopfte sie gleichgültig in die Schuhe und steckte die schmerzenden Füße in seine Pantoffeln. Aus der Küche wehte ein herrlicher Duft zu ihm herüber. »Was gibt’s denn zu essen?«
»Schmorfleisch mit Rotwein und Pommes Duchesses.«
Der Untersuchungsrichter leckte sich die Lippen und atmete den leckeren Duft tief ein. Er ging ans Büfett, füllte ein Glas reichlich mit Eis, goss einen Schuss Pernod darüber und betrachtete die sich rasch verfärbende Flüssigkeit. Ricard pur auf Eis, ohne Wasser. So hatte er ihn in Toulon trinken gelernt, bei einem internationalen Pétanque-Turnier, von einem sonnengebräunten Franzosen mit einer staubigen Pastiskappe auf dem Schädel und einer kalten Gitane im Mundwinkel.
Meine Güte, konnte der
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