Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
Sonnenblumen mit hängenden Blättern gezüchtet. Was für eine Ironie!
Plötzlich fiel ihm ein, warum er auf das Bild aufmerksam geworden war. Bei Bosmans zu Hause im Flur hing genau dieselbe Reproduktion.
Wahrscheinlich ein Gewinn bei einer Polizeitombola. En gros eingekauft.
Er schloss die Augen und sah den Rücken seines Freundes vor sich, als dieser ein letztes Mal vorwurfsvoll über die Schulter zurückgeblickt hatte. Deleu hatte noch überlegt, das Geld zurückzugeben, aber er hatte es nicht getan. Welchen Sinn hätte es schon gehabt?
Vorgestern war er Bels über den Weg gelaufen, der gerade eine Runde um den Block ging. Das Gesicht des feisten Journalisten glich einem verschrumpelten Kürbis. Während Deleu sich fragte, wer den Mann wohl so übel zugerichtet haben mochte, drückte er mit dem Zeigefinger vorsichtig auf das Gemälde. Die Ölfarbe fühlte sich rauh an.
Vielleicht ist das Bild sogar echt,
dachte sein konditioniertes Fahnderhirn.
»Treten Sie näher, Inspecteur«, sagte eine herzliche Frauenstimme. »Bitte kommen Sie doch in die Küche.«
Zögernd ging Deleu durch den schmalen, dunklen Flur, und ein Schauer lief ihm den Rücken hinunter. Der spärliche Lichteinfall, die Farbzusammenstellung in den Räumen: All diese Eindrücke erinnerten ihn an eine Villa in Weerde, in der eine ganze Familie ermordet worden war. Deleu zog den Kopf ein und beschleunigte seine Schritte. Die Küche dagegen bot eine positive Überraschung, denn hier herrschten heitere Farben vor, erhellt von einfallenden Lichtstrahlen. Mevrouw Perdieus sah jung aus für ihr Alter. Sie trug eine frühlingshafte, grüngeblümte Schürze und wirtschaftete eifrig am Herd herum. Aus zwei gusseisernen Töpfen stiegen herrliche Düfte auf, es roch nach gebratenem Fleisch und Knoblauch.
»Bitte setzen Sie sich. Möchten Sie etwas Kaltes zu trinken?« Sie blickte sich um und zupfte kokett ihre aufgesteckten Haare zurecht. »Ja, gern, vielen Dank.«
»Victor?«, rief sie, befehlend und einladend zugleich. Perdieus las lustlos und mit einem verkniffenen Zug um den Mund in einem Wochenendmagazin. Mit seinem wirren Haar und den hochgeschobenen Ärmeln sah er dennoch recht gut aus, viel entspannter jedenfalls als damals in Bosmans’ Büro, eingezwängt in die steife Uniform.
»Ein Bier?«
»Lieber ein Wasser bitte, wenn es nicht zu viele Umstände macht.«
»Momentan macht hier alles zu viele Umstände«, bemerkte Mevrouw Perdieus schnippisch an die Adresse ihres Mannes.
Der schnaufte genervt, stand auf und schlurfte quer durch die Küche.
[home]
45
N adia Mendonck trippelte nervös mit nackten Füßen über den hochflorigen Teppich. Sie fühlte sich nicht wohl auf dem schwarzen Designersofa aus Leder. Franks Wohnung duftete nach frischem Gemüse und ita lie nischen Kräutern. Die weltberühmte Nadia-Mendonck-Spaghettisoße köchelte auf kleiner Flamme vor sich hin, die Anrichte war ordentlich aufgeräumt und blitzsauber. So konnte er ihr wenigstens nicht vorwerfen, sie hätte irgendetwas in Unordnung gebracht.
Sämtliche Voraussetzungen für einen unvergesslichen Abend waren geschaffen, dennoch rumorte nach wie vor dieses unbehagliche Gefühl in ihrem Unterleib herum. Es fühlte sich an wie sterbende Schmetterlinge, die verzweifelt mit den Flügeln schlugen.
Auf einmal fühlte sie sich allein. Allein und vollkommen überflüssig. Wie das dumme Blondchen, für das sie gelegentlich gehalten wurde. Was war eigentlich aus ihren hehren Idealen geworden? Wonach strebte sie gleich wieder am ehrgeizigsten?
Danach, die Geliebte eines Playboys zu werden, eines eitlen Kerls, dessen Stern als Fahnder im Sinken begriffen ist. Eines Typen, der alles schon mal erlebt hat. Wie alt wird Frank eigentlich? Wahrscheinlich sieht er jünger aus, als er in Wirklichkeit ist. Über vierzig wird er auf jeden Fall sein. Seine Vitalität macht ihn jünger und attraktiver. Und dazu seine animalische Anziehungskraft …
Nadia Mendonck schnalzte mit der Zunge und seufzte aus tiefstem Herzen. Während sie nervös einen gelben Nagellacksplitter abpulte, klingelte ihr Handy. Sie eilte zur Anrichte und drückte auf die Rufannahmetaste.
»Mendonck?«
»Nadia, ich bin’s, Frank. Für wann hatten wir uns noch mal verabredet und wo?«
Er klang alles andere als erwartungsvoll, was ihr Unbe-hagen nur noch vergrößerte. Sie schluckte ihre Enttäuschung herunter und versuchte, fröhlich zu klingen. »Vor einer halben Stunde. Und wir hatten keinen Treffpunkt
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