Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer

Flaschen von gleichem Aussehen. Sie beugte sich vor, erschauerte bei dem Gedanken an fette, angriffsbereite Hausspinnen und fasste mit angewiderter Miene ins Dunkel. Mit den Fingerspitzen berührte sie die vorderste Flasche. Ihre Wirbel knackten, als sie sie herauszog.
Hm … sieht ebenfalls nach einem Reinigungsmittel aus. Jedenfalls kein Olivenöl.
Sie bückte sich noch tiefer, brachte eine zweite Flasche zum Umkippen und fing sie auf, bevor sie hinfiel. Es war wirklich die gleiche wie die erste.
Und jetzt die dritte. Mist!
Sie stieß sich den Kopf an der Unterkante des Spülbeckens.
Gehacktes in Frittieröl. Wenn’s denn so sein soll.
    Die beiden Flaschen, die sie zuletzt herausgeholt hatte, enthielten eine gelbliche Flüssigkeit. Vielleicht war es doch Öl. Nein, denn ganz unten klebte ein orangefarbenes Etikett mit einem Totenkopf darauf. Nadia Mendonck stieß einen tiefen Seufzer aus.
Einen privaten Dioxinskandal kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen. Was kann das sein? Abflussreiniger? Immerhin steht es ganz weit hinten, wie es sich gehört, außer Reichweite von kleinen Händen.
    Als sie den Deckel abschraubte und an dem Zeug roch, war es, als ob ihre Augen Feuer fingen. Während sie sich mit einer Hand eine Träne von der Wange wischte, schraubte sie mit der anderen den orangefarbenen Verschluss wieder zu.
Wow. Mit dem Zeug könnte man eine halbe Kuh auflösen.
Seufzend stellte sie die Flasche zurück zu den beiden anderen.
    Dann starrte sie eine Weile auf die Keramikanrichte. Ihr skeptischer Blick wanderte über die ausgebreiteten Lebensmittel. Der Zweifel nagte an ihr, und ihre Selbstsicherheit schwand zusehends.
    War das wirklich eine gute Idee? Kann man einfach so uneingeladen und unangekündigt in die Wohnung eines anderen eindringen? In Franks Privatsphäre? Vielleicht reagiert er ja überhaupt nicht begeistert. Wäre ich damit einverstanden? Was wäre, wenn plötzlich eine andere Frau hereinkäme. Schließlich ist Frank begehrt – und ungebunden. Und nicht zuletzt ein phantastischer Liebhaber. Leidenschaftlich und sensibel, männlich und romantisch. Frank Tack ist wie das Meer. Das Meer, das dich berührt oder verschlingt. Oder beides.
    Langsam zog Nadia Mendonck den Zeigefinger aus dem Mund und seufzte. Keineswegs leidenschaftlich. Sie hatte sich die ganze Zeit vorgestellt, Frank würde es humorvoll aufnehmen und sich über die Überraschung freuen. Während ihr Unbehagen wuchs, suchte sie zwischen den Küchenutensilien herum.
Kein Korkenzieher!
Sie öffnete ihre Handtasche und kramte ihr Schweizer Messer heraus.
Man weiß wirklich nie, wann einem so ein Utensil mal zupasskommt.
Nadia Mendonck, die vorausschauende Frau. Noch eine positive Eigenschaft, die sie von ihrer verstorbenen Mutter geerbt hatte.
Oder sollte ich es eher als Charakterfehler betrachten? Was würde Mama hierzu sagen? Schade, dass du Rutger nicht mehr gekannt hast. Mit dem hättest du dich gut verstanden. Vielleicht hätte er dann auch nicht diesen Unfall gehabt. Vielleicht würdet ihr beide noch leben. Und vielleicht ist Gott wirklich ein weiser alter Mann mit einem grauen Bart.
    Mit einem bitteren Geschmack im Mund fing sie an, die Tomaten zu häuten.

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    D eleu drückte zum vierten Mal auf das Maul des Bronzelöwen, und zum vierten Mal ertönte ein lautes Ding-dong. Obwohl die Fensterläden des ansehnlichen Landhauses geschlossen waren, musste Perdieus zu Hause sein. Er war ans Telefon gegangen, hatte aber sofort wieder aufgelegt, als Deleu seinen Namen genannt hatte.
    »Hören Sie auf«, krächzte die Sprechanlage. »Hören Sie auf, oder ich …«
    »… rufe die Polizei«, ergänzte Deleu, die Stirn gegen die Haustür gedrückt. »Bitte, Commissaris! Es ist wichtig!« Das leise Rauschen der Sprechanlage verstummte. Der Privatdetektiv umklammerte krampfhaft mit einer Hand den Kupfertürknauf.
    »Victor, wir sitzen beide im selben Boot. Ich bin auch aufs Abstellgleis geschoben worden. Bitte! Es geht um ein Kind! Ein Kind in Not!«, versuchte er es nochmals.
    Ein trockenes Klicken, gefolgt von einem enervierenden Summen ließ Deleu aufatmen. Er stieß die massive Haustür einen Spalt auf und schlüpfte hinein. In der geräumigen Diele war es angenehm kühl.
    Eine Klimaanlage. Mein nächstes Auto hat auch eine, ich schwöre es.
    Eine gelungene Reproduktion von van Goghs Sonnenblumen zog Deleus Aufmerksamkeit auf sich. Vincent van Gogh, weltberühmt, wenn auch erst nach seinem Tod.
Heutzutage werden sogar