Bosmans/Deleu 03 -Ins blanke Messer
allein? Was ist, wenn sich in der Ruine spielende Kinder aufhalten? Du bist am Ende, Frank
.
Nervös zuckte er die Schultern und starrte zu der Häuserreihe auf der anderen Seite hinüber. Lauter identische Zweifamilienhäuser. Am liebsten hätte er die hübschen Fassaden in Schutt und Asche geschossen.
Nirgendwo bewegt sich etwas
. An zwei Häusern waren die Holzfensterläden abmontiert, und durch die Gardinen fiel schwaches Licht. Hinter einem Fenster entdeckte er zwei Silhouetten. Eine Person hielt etwas in der Hand, vermutlich eine Tasse Kaffee, die andere stand stocksteif da.
Diese unheilverkündende Stille, die Stille vor dem Tod. Frank Tack griff sich an den Kopf, als ihn Bilder aus seiner Vergangenheit heimsuchten.
Raschelnde Grashalme. Der siebte Zug. Sieben Söldner in V-Formation auf Patrouille, der Oberst an der Spitze. Der rappeldürre Oberst Versteeg. Ein Name wie Donnerhall unter Eingeweihten. Alle nannten ihn »Oberst«, keiner wusste, warum. Vielleicht wegen seines taktischen Geschicks und seiner natürlichen Führungsqualitäten. Versteeg, mein Mentor, mein Vorbild. Unter seinen Fittichen fühlte sich ein junger Söldner sicher. Der Heckenschütze, der den Oberst erwischte, musste erst noch geboren werden. Er musste in der Lage sein, auf hundert Meter Entfernung einen Grashalm in der Mitte durchzuschießen. Obwohl Versteeg bei bewaffneten Konflikten auf der ganzen Welt im Einsatz gewesen war, war er noch nie verwundet worden. Das verlieh ihm eine Aura der Unbesiegbarkeit. Ich als junger Spund schräg hinter ihm. Breitschultrig spähte ich die Umgebung aus, mit angehaltenem Atem, vollgepumpt mit Drogen
.
Dumpfe Schläge. Drei, sieben, acht Salven. Der zuckende Körper des Obersten, die unkoordinierten Bewegungen seiner rudernden Arme. Erst dieses überraschte Lächeln, als er aufrecht im knochentrockenen Schilf saß. Dann der Unglaube in seinen kalten grauen Augen. Auf seinen schmalen Lippen ein breites Lächeln und in seiner Brust ein sprudelnder Krater. Schwarz und rot
.
Frank Tack kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und lauschte aufmerksam wie ein wachsames Raubtier. In der Ferne näherte sich ein Jogger in einem weitgeschnittenen Trainingsanzug. Er lief mühsam und steif, die Kapuze tief über die Augen gezogen.
Tack zögerte für den Bruchteil einer Sekunde. Sollte er sich verstecken oder nicht? Er entschied sich für Ersteres und überquerte ohne sich umzusehen die Straße. Hinter einer Buche verborgen beobachtete er den keuchenden Jogger. Der Mann blickte starr geradeaus, ohne nach rechts oder links zu sehen, und schleppte sich mühsam voran. Tack wartete geduldig, bis der untrainierte Freizeitsportler aus seinem Blickfeld verschwunden war. Ihm lief ein kalter Schauer über den Rücken, während er sich wieder in Bewegung setzte.
Als er sich der Ruine bis auf fünfzig Meter genähert hatte, blickte er sich noch einmal um. Ein weißer Lieferwagen, Modell Dutroux, brauste mit röhrendem Motor und hoher Geschwindigkeit vorbei. Die Scheiben waren nicht abgeklebt.
Die letzten Meter bis zu dem schmiedeeisernen Tor legte Frank im Laufschritt zurück. Das Tor versperrte den Zugang zu einer Brücke, die den Wassergraben rund um das Fort überspannte. Jenseits des mit Entengrütze überwucherten Gewässers ragte das verfallene Bauwerk auf.
Salamander. Ein Stock, ein Zwirnsfaden und ein Wurm. Die blauen mit dem leuchtend roten Bauch, das waren die Männchen. Nein, die Weibchen. Die Weibchen, die die Männchen anlockten. Die Männchen hatten einen Kamm und schwarze Flecken auf ihrer braunen Haut. Die blauen waren manchmal ganz schön dick
. Als Tack die Augen wieder öffnete, verschwand das Lächeln von seinen Lippen. Die Ruine, der vereinbarte Treffpunkt, sah groß und bedrohlich aus. In dem Riesengebäude konnte sich mühelos eine hundertköpfige Rebellenarmee verstecken.
Er steckte das kurze Brecheisen in seinen Gürtel und klammerte sich mit beiden Händen an dem Gitter fest. Seine Jeans scheuerten über das Metall, als er sich hochzog und mit der rechten Hand nach den obersten Stangen fasste, die in einer Spitze endeten. Er zwängte seine Linke zwischen dem Gitter hindurch, fand Halt und zog sich hinauf. Oben ruhte er sich keuchend für einen Moment aus und schwang dann das rechte Bein hoch. Nach zwei fruchtlosen Versuchen gelang es ihm, den Fuß zwischen die Spitzen zu klemmen. Er stieß sich kräftig ab und landete mit einem dumpfen Aufschlag auf dem Moosteppich. Perfekt im
Weitere Kostenlose Bücher