Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn
anerkennend.
»Okay«, sagte Bosmans schließlich und stand ungeduldig auf. »Dauert’s noch lange?«
Van Bever blickte hoch zur Lampe, die noch immer blinkte. Er ging zur Tür und klopfte diskret.
»Komm ruhig rein!«, ertönte es von drinnen.
Die drei betraten das kriminaltechnische Labor. An den Wänden hingen zahlreiche Schränke mit kleinen viereckigen Schubladen. Der Polizeifotograf, der seine Ausrüstung einpackte, nickte Bosmans jovial zu.
»Entwickeln und abliefern, Pol«, sagte Van Bever zu ihm.
»Es ist doch nicht etwa dringend, oder?«, fragte der Fotograf ironisch und trabte demonstrativ im Laufschritt zur Tür gegenüber.
Deleu betrachtete den rostigen Tischlerhammer auf dem Beistelltisch. Er lag auf schwarzem Filz und wirkte dort vollkommen ungefährlich. Ein alltägliches Werkzeug – abgesehen von den Blutflecken am Kopf.
»Was wissen wir über das Opfer, Jos?«
Bosmans antwortete nicht. Er hing mit der Nase dicht über einem Klebestreifen, der in einem rechteckigen Leuchtbehälter lag, und studierte das deutlich erkennbare Schlingenmuster.
»Zeigefinger, doppelter Index«, erklärte Van Bever, als habe er die Gedanken des Untersuchungsrichters erraten.
»Habt ihr die Abdrücke schon durch den Computer gejagt?«
Van Bever sah Bosmans schuldbewusst an.
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Montag, 24 . November – 20 Uhr 45
H erman Verbist war die Treppe hinaufgestiegen und stand nun vor der Tür des Nachbarn, der über ihm wohnte. Ein angedeutetes Lächeln umspielte seinen verkrampften Mund. Wie sehr er sich auch das Gehirn zermarterte, er konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, was ihn hierhergetrieben hatte.
Ir. L. Goegebuer,
las er auf dem Kupferschild unter der Klingel.
Der wird mir sicher helfen. Glück gehabt! Ein Mann mit zwei Vornamen. Der ist bestimmt gebildet. Ir. L.? Ira Levin, Ira Levin Goegebuer. Eine jüdische Familie? Vor Juden habe ich immer ein bisschen Respekt. Diese Hüte und Ringellocken, die Kneifer und Pelzbesätze bis in den Sommer hinein. Horden von Skinheads, die ihnen auflauern. Vor allem die flößen mir Angst ein, denn ich werde unheimlich aggressiv, wenn ich diese Glatzköpfe sehe. Am liebsten würde ich ihnen gegenseitig den Kopf in den Hintern rammen und damit eine lange Kette bilden. Damit ich ihre hässlichen Gesichter nicht mehr sehen muss.
Herman Verbist lachte nervös.
Und wenn die Kette lang genug ist, kann ich den Kopf des ersten in den Hintern des letzten stecken, so dass sie auf ewig im Kreis herumlaufen müssen.
Das Lachen ging in eine Art hicksendes Wiehern über.
Und dann dieser gequälte Blick. Die haben was mitgemacht, diese Leute, vor allem die ältere Generation. Die Juden, meine ich.
»Küchenrolle!«, rief Verbist auf einmal so laut, dass es durch den Hausflur schallte, und hieb sich gegen die Stirn.
Auf seinem Gesicht perlten jetzt dicke Schweißtropfen. Stress. Er stand unter Hochspannung.
»Nein, Molok! Nein!«
Verbist blinzelte heftig und steckte die Zunge zwischen die Zähne. Am liebsten wäre er davongelaufen und hätte sich irgendwo verzweifelt zu Boden geworfen, aber er blieb, wo er war. Er hatte ja schon geklingelt.
Weg hier. Wichtchen ist allein. Vielleicht ist Ira Levin bei der Arbeit. Wahrscheinlich an der Diamantenbörse. Wo er Diamanten spaltet. Das muss ein glückliches Leben sein! Glaube ich. Oder mache ich mir da Illusionen, und er gießt aus einem kleinen Kupfertopf kaltes Wasser über die erhitzte Spaltapparatur? Oder werden die Steine heutzutage längst mit Laserstrahlen gespalten, und Ira schießt in diesem Moment mit einer dunklen Brille auf der Nase Laserstrahlen ab? In Rot, Grün, Gelb und Blau. Hauptsächlich Blau, wie in der Disco. Damit wollen sie die jungen Leute anlocken. Einmal bin ich hingegangen. Früher. Um mir geile Mädels anzugucken. Irgendwo im Hintergrund, wo mich keiner bemerkt hat. Da geh ich nicht mehr hin. Hab zu wenig Geld.
Einen Stock tiefer schwoll das Geschrei aus dem Karton neben dem Sofa erneut an. Herman Verbist kam wieder zu sich. Angst! Panik! Wahnsinnige Kopfschmerzen!
»Nein, Molok!«, flüsterte er.
Endlos wiederholte er diese Worte wie ein rituelles Opfergebet. Der schrille Klingelton übertönte das durch Mark und Bein gehende Gekreische.
»Habe ich es für sie oder für mich getan?
Fuck the rastafa, fuck the rastafa, fuck the rastafa.
Weg, Molok.«
Herman Verbist starrte die massive Eichenholztür an. Seine geschärften Sinne registrierten ein schabendes Geräusch.
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