Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn
gleichzeitig, sank er in eine bodenlose Tiefe.
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Dienstag, 25 . November – 10 Uhr 05
B osmans und Deleu saßen in der Taverne »De Kleine Keizer« und unterhielten sich. Es schien eine Ewigkeit her zu sein, seitdem sie hier gewesen waren. Deleu hatte seinen Freund, der in den vergangenen zwei Tagen bedrückt gewirkt hatte, zum Mitkommen bewogen, um sich endlich einmal auszusprechen.
»Na so was, unsere Ordnungshüter. Lange nicht gesehen! Was darf es sein? Oder trinkt ihr etwa kein Weißbier mehr während der Dienstzeit?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, verschwand die Wirtin mit wiegenden Hüften hinter der Theke.
»Unsere Dienstzeit ist endlich verkürzt worden!«, rief Deleu ihr noch nach und zwinkerte seinem Freund zu. Jos Bosmans rieb sich die geschwollenen Augen und verzog den Mund zu einem angedeuteten Lächeln.
»Was ist los, Jos?«, fragte Deleu ohne Umschweife.
»Hm.«
»Was bedrückt dich? Der Selbstmord? Das entführte Baby?«
»Das auch.«
Deleu trommelte mit den Fingern auf den Tisch, griff sich an den Adamsapfel und räusperte sich. Das Fieber pulsierte durch seinen ganzen Körper.
»Stress mit Maud?«
Bosmans sah ihn an und nickte matt.
»Hey, Jos, du kannst mir alles erzählen. Ich kenne mich ziemlich gut damit aus, wie man mit Frauen nicht umgeht.«
Bosmans antwortete nicht auf Deleus alberne Bemerkung, und als ihnen die Wirtin mit strahlendem Lächeln zwei Tassen Kaffee mit cremigem Schaum servierte, blickte er in die andere Richtung, wo der Regen ans Fenster prasselte. Die Wirtin sah Deleu fragend an, wartete jedoch nicht auf eine Erklärung. Sie schwang sich auf einen Barhocker und vertiefte sich wieder in ihre Zeitung.
»Ich dachte, ihr wolltet sogar wieder heiraten«, bemerkte Deleu ein wenig hilflos.
»Mit uns ist alles in Ordnung, Dirk, nein, es geht um unsere Eva.« Bosmans ließ bedrückt die Schultern hängen. »Vorgestern stand sie plötzlich vor der Tür. Mit Stijn und Maïte.« Er seufzte tief.
»Das kann doch nicht wahr sein!«, rief Deleu entsetzt.
Bosmans’ Kehle war wie zugeschnürt. Er betrachtete seine ineinander verschränkten Hände. Sie zitterten.
»Doch. Ihr Innenarchitekt hat eine andere. So einfach geht das heutzutage. Nach dem Abendessen hat er ihr zwischen Tür und Angel mitgeteilt, es sei aus zwischen ihnen und er habe bereits seit einem Jahr eine neue Beziehung. Eine geschiedene Frau mit drei Kindern. Er hat sie über das Internet kennengelernt. Während er angeblich nächtelang Pläne zeichnete. Um es kurz zu machen: Es ist eine unüberwindbare Kommunikationsstörung zwischen den beiden entstanden. Das waren seine Worte. Eine unüberwindbare Kommunikationsstörung. Basta.«
Bosmans trank einen großen Schluck von seinem Kaffee, verbrannte sich den Mund und presste die schmerzenden Lippen aufeinander. Dann stellte er die Tasse vorsichtig ab und spielte mit einem Zuckertütchen.
Dirk Deleu sagte nichts.
Als er wieder das Wort ergriff, klang Bosmans’ Stimme sanfter. Als hätte der heiße Kaffee die Wut weggespült.
»Eva war fassungslos. So habe ich sie noch nie erlebt. Sie hat die Kinder aus dem Bett geholt und ist sofort zu uns gefahren. Die beiden standen im Schlafanzug vor unserer Tür.«
»Und wie soll es jetzt weitergehen?«
»Gute Frage. Sie haben vor zwei Jahren gebaut, und Eva wollte noch ein Jahr zu Hause bei den Kindern bleiben. Keine Ahnung, wie es weitergehen soll.«
Deleu wusste nicht, wohin mit den Händen, und kratzte sich am Kopf.
»Kann ich irgendetwas tun, Jos? Irgendwie helfen? Beim Umzug oder so? Ich meine ja nur.«
Als Bosmans ihn eindringlich ansah, zuckte er nervös mit den Schultern. Bosmans’ lakonische Antwort: »Ja, heirate sie«, verunsicherte ihn noch mehr. Doch als er in die lachenden Augen seines Vorgesetzten sah, trank er schließlich auch einen Schluck von seinem Kaffee.
Unwillkürlich entfuhr es ihm: »Ich wünschte, Charlotte stünde eines Tages einfach vor meiner Tür.« Darauf wiederum fiel Bosmans so schnell keine Antwort ein.
Der Untersuchungsrichter schnaufte durch die Nase und schloss die Augen. Drei Bilder stiegen immer wieder in seiner Erinnerung auf: Maud und Eva vor dem Löwenkäfig im Antwerpener Zoo, beide im gleichen Sommerkleid, weiß mit fröhlichen Frühlingsblumen. Maud hatte die Kleider selbst genäht, nachdem sie einen Schneiderkurs besucht hatte. Das zweite Bild war ein Foto von Eva bei ihrer Kommunionsfeier. Während die Gäste einander umarmten, küsste Eva im Vordergrund
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