Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn

Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn

Titel: Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luc Deflo
Vom Netzwerk:
Tränen rührte, vermochte es, die Kleine zu beruhigen. Verbist drehte die Lautstärke auf, bis die Boxen markerschütternd schepperten und die Pausini versoffen wie Joe Cocker klang, aber Wichtchen übertönte sie dennoch.
    Verbist drehte die Musik wieder leiser und fuhr rechts ran. Er nahm das zappelnde Baby zwischen die Beine, und das Geschrei ebbte ab.
    Zwischen meinen Beinen ist sie brav. Ich will lieber nicht weiter darüber nachdenken.
    Wichtchen drehte am Lenkrad und schnatterte wie ein italienisches Fischweib.
    Mein Kind will mit seinem Vater kommunizieren!
    Verbist beugte sich nach vorn und küsste sie auf die runden Bäckchen.
    Mit dem Kind zwischen die Beine geklemmt fuhr Verbist weiter. Er strahlte vor Glück.
    Ein Streifenwagen fuhr quälend langsam vor ihm her. In der Stadt wimmelte es von Polizeifahrzeugen. Im ersten Augenblick erwog er zu beschleunigen, doch er beherrschte sich.
    Vor dem Zoofachgeschäft waren zwei Parkplätze hintereinander frei. Verbist manövrierte den Wagen mit Leichtigkeit in die große Lücke und betrat mit Wichtchen in den Armen das Geschäft.
    Diesmal wurde er mit einem freundlichen Nicken begrüßt. Verbist fasste sofort Vertrauen zu dem Ladenbesitzer, einem freundlichen älteren Herrn mit ungleichmäßigem Backenbart. »Womit kann ich Ihnen helfen?«, fragte er.
    Herman Verbist kaufte eine weiße Taube.
    Obwohl er den Golf absichtlich in der Mitte der beiden Parkplätze abgestellt hatte, klebte ihm ein Wagen an der vorderen und einer an der hinteren Stoßstange. Verbist wurde wütend und musste sich beherrschen, um nicht beiden Autos gegen die Kotflügel zu treten. Stattdessen kniff er Wichtchen fest in den Arm, die sofort wieder laut zu weinen anfing.
    Durch ihr Geschrei kam er zu sich. Ratlos betrachtete er das kleine Mädchen, und ihm wurde klar, dass auch sie ihm nicht helfen konnte. Er wusste nicht ein noch aus.
    Er wickelte Wichtchen in die Decke, die im Auto bereitlag, legte sie vorsichtig auf den Beifahrersitz und begann mit seiner Herkulesaufgabe. Der Schweiß rann ihm in Strömen über die Stirn. Wichtchen protestierte lauthals, weil er sie so ohne Federlesens abgelegt hatte. Ihr Gesicht lief vor Anstrengung rot an.
    Verbist ballte die Fäuste und biss die Zähne zusammen.
    Bestimmt ist die Taube todtraurig. Das Tierchen tut mir so leid! Mit welchem Recht habe ich seine Familie auseinandergerissen? Vielleicht hinterlässt sie Junge. Junge, die jetzt mit aufgerissenen Schnäbeln um Regenwürmer betteln, und dann stopft ihnen der Tierverkäufer stattdessen fades Taubenfutter in den Schlund, das ihnen im Halse stecken bleibt, weil die Mutter es nicht vorgekaut hat.
    Dieser Gedanke beruhigte ihn wieder.
    Uns geht es doch im Grunde genommen gar nicht so schlecht.
    Endlich hatte er sich aus seiner heiklen Lage befreit und fuhr ruckend an. Ohne sich umzusehen, gab er Vollgas und erwischte prompt mit dem Kotflügel ein vorbeisausendes Mountainbike. Als das Rad wegrutschte und der Pechvogel stürzte, machte Verbist eine Vollbremsung, wodurch Wichtchen vom Sitz rollte.
    Zu viele Reize.
    In zu kurzer Zeit.
    Verbist biss sich vor Schreck auf die Zunge. Ihm stockte der Atem. Mit übermenschlicher Anstrengung gelang es ihm, aus dem Wagen zu steigen, und mit dem leblosen Baby im Arm rannte er steifbeinig und grimmig davon.
    Eine schicke Dame mit knalligem Lippenstift im faltigen Gesicht lief arrogant mitten auf dem Bürgersteig und wollte nicht ausweichen. Verbist rammte sie mit der Schulter und trat nach den Streichholzbeinchen ihres wütend auf und ab hüpfenden Schoßhündchens.
    Die Frau geriet ins Stolpern, blieb mit einem Pfennigabsatz hängen, fuchtelte hilflos mit den Armen und stürzte.
    Keuchend blickte Verbist über die Schulter zurück. Woran er sich später noch erinnern sollte, waren ihre unrasierten, strampelnden Fußballerbeine.
    Nachdem er um eine Ecke gebogen war, blieb er stehen. Heftig atmend lehnte er sich an einen Baumstamm. Ihm zitterten die Knie.
    Auf Wichtchens Stirn bildete sich eine blaue Beule.
    Er streichelte ihr flaumiges Haar und kniff ihr in die Wange. Erst vorsichtig, dann heftig und unbeherrscht.
    Sie regte sich nicht.
    Herman Verbist sank zu Boden.
    Niedergeschmettert.
    Verzweifelt scheuerte er mit dem Rücken über den Baumstamm, steckte Wichtchen unter seine Jacke, legte vorsichtig die Hand auf ihre Brust und schloss die Augen.
    Nichts geschah.
    Unendlich traurig streichelte er mit den Fingerspitzen über ihren Bauch, ihre Wangen, ihre

Weitere Kostenlose Bücher