Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn
sich nicht.
Ihm brach der Schweiß aus, als er an den schrecklichen Tag zurückdachte. Jenen Tag, an dem Herman Verbist einen
Playboy
gekauft hatte.
Unentschlossen eilt er von Zeitungskiosk zu Zeitungskiosk, tritt ein und schlüpft hastig wieder hinaus. Erfüllt von panischer Angst. Angst vor den abfälligen Blicken der Zeitungsverkäuferinnen. Im sechsten Geschäft gewinnt seine Not die Oberhand. Er lungert eine Zeitlang herum, wartet geduldig, bis alle anderen Kunden den Kiosk verlassen haben, greift blitzschnell nach einer Zeitung, versteckt den
Playboy
darunter, legt alles auf die Theke und tritt verlegen von einem Fuß auf den anderen.
Die dumme Kuh an der Kasse lässt sich alle Zeit der Welt. Sie trödelt absichtlich.
Er wirft einen nervösen Blick über die Schulter. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, denn nicht nur ein oder zwei, nein, ganze Scharen von Kunden kommen herein.
Die Verkäuferin klappt träge die Zeitung auseinander, legt mit zusammengekniffenen Augen den
Playboy
darauf und blickt erst das Sexblättchen und dann ihn an.
Er spürt, wie ihm die Schamesröte ins Gesicht steigt, und stammelt: »Damit wollen wir einem Freund einen Streich spielen.«
Die boshafte Hexe räuspert sich und sagt in lautem und herablassendem Ton: »Ein Euro für die Zeitung und sechs für den
Playboy,
macht zusammen sieben Euro.«
Er gibt ihr einen Fünf-Euro-Schein und wühlt in seiner Hosentasche, findet aber nur einen Euro. Ratlos sucht er in seinem Portemonnaie, lässt es fallen, hebt es wieder auf und gibt der Frau fünfzig Euro.
»Haben Sie’s nicht kleiner?«, motzt die Verkäuferin. »Ach was, schon gut.«
Anschließend flüchtet er nach draußen, hoffnungslos durcheinander. Die Regentropfen bringen ihn wieder einigermaßen zu sich. Eine Stunde panischer Angst für fünf Minuten Vergnügen. Seit diesem Tag bewahrt er sein Geld in seiner Brusttasche auf.
Auch diesmal verließ Herman Verbist reichlich überstürzt den Kiosk.
Kurz darauf betrat er das Zoofachgeschäft und sagte zu dem jungen Mann an der Theke: »Eine weiße Taube, bitte.«
Der Verkäufer mit den widerspenstigen blonden Haaren holte tief Luft, verkniff sich jedoch das Lachen, als er den verbissenen Zug um den Mund des späten Kunden bemerkte.
Dennoch konnte er der Versuchung nicht widerstehen und fragte: »Tiefgefroren oder aus Plastik? Wir haben auch welche aus Ton, aber die sind grau.«
Herman Verbist beobachtete voll Grausen, wie die Akne im Gesicht des blonden Jungen zum Leben erwachte. Die roten Pickel wurden zu gefährlich spitzen Stacheln.
Instinktiv wich er einen Schritt zurück und schnappte vor Entsetzen nach Luft, als sich die großen Schneidezähne aus dem Oberkiefer seines Gegenübers lösten und glitzernd das Kinn hinunterrutschten.
»Tut mir leid, ich habe mich wohl geirrt, ich dachte, das hier sei ein Zoofachgeschäft. Bitte entschuldigen Sie.«
»Ein Fachgeschäft für Tiernahrung«, verbesserte der junge Mann grinsend.
»Für Tiernahrung«, echote Verbist. Dann fiel ihm etwas ein. »Haben Sie vielleicht Schlafkörbe?«
Der Verkäufer platzte fast vor unterdrücktem Lachen. »Für einen Hund, eine Katze oder eine Riesentaube?«, fragte er augenzwinkernd.
»Für einen mittelgroßen Hund«, antwortete Verbist tonlos.
»Bitte folgen Sie mir.«
Als er die eiserne Wendeltreppe hinaufstieg, hielt der junge Verkäufer auf halbem Weg plötzlich inne und blickte sich um. Der komische Kauz betrat unsicher die ersten Stufen. Aus seinem Jackenkragen ragte der Kopf eines schreienden Babys.
Der Verkäufer bückte sich und suchte in einem Stapel Weidenkörbe herum. Mit einem komischen Gefühl in der Magengegend drehte er sich um.
Der hinabsausende Besenstiel traf ihn genau an der linken Schläfe.
Herman Verbist rannte aus dem Geschäft und überquerte. ohne nach links oder rechts zu sehen, die Straße. Der Fahrer eines Audis riss im letzten Moment das Steuer herum und verfehlte den verwirrten Mann mit dem Weidenkorb in der Hand und dem schreienden Baby auf dem Arm nur um Haaresbreite. Aschfahl im Gesicht rumpelte er mit den Vorderreifen über den Bordstein.
Verbist sah sich nicht einmal um. Er rannte um die Ecke, riss die Tür von Sandras Golf auf, deponierte das strampelnde Baby auf dem Beifahrersitz und verstaute den Korb auf der Rückbank.
Wichtchen schrie ununterbrochen, und Verbist schaltete den Kassettenrecorder ein. Doch nicht einmal Laura Pausini mit ihrer großartigen Stimme, die ihn jedes Mal wieder zu
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