Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn
er sich umdrehte.
»Ruf Omer an und sag ihm, dass du später kommst.«
»Das geht nicht.«
Er zögerte und log dann ungeschickt: »Er ist schon unterwegs und hat kein Handy dabei.«
»Dann ruf in der Kneipe an.«
»Ruf du doch beim Arzt an!«, grollte der Mann wütend.
Die Frau wich erschrocken zurück, fasste sich aber schnell wieder.
»Sag mal, was ist denn heute mit dir los? Hast du wieder mal schlechte Laune? Ich habe dir doch gesagt, dass Bram schwer krank ist. Oder ist dir das etwa noch nicht aufgefallen? Immer überlässt du alles mir …«
Das Schrillen der Türklingel bedeutete das vorzeitige Aus für ihren soundsovielten Ehekrach.
Beide blickten zur Tür. Der Mann ging hin und öffnete seufzend.
Er erschrak, als ihm die attraktive Blondine, die draußen stand, einen Polizeiausweis vor die Nase hielt.
»Polizei. Sind Sie Peter Vercammen?«
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Mittwoch, 26 . November – 18 Uhr 12
I n der Taverne »De Cirque« am Mechelener Fischmarkt sah Deleu mit leerem Blick durch die beschlagenen Fensterscheiben. Er versuchte, die Ereignisse der vergangenen Tage zu rekonstruieren.
Bosmans hatte praktisch ganz Mechelen auf den Kopf gestellt. Bisher ohne Ergebnis. Dabei hatten sie etwa neunzig Prozent aller Vermieter auf den Zahn gefühlt.
Deleu ließ den Fall noch einmal Revue passieren. Seine Gedanken überschlugen sich. Ihre Ermittlungen waren ein Wettlauf gegen die Zeit – ein Wettlauf, den sie kaum gewinnen konnten.
Er dachte an die Vernehmung des Verkäufers am gestrigen Tag. Der junge Mann hatte behauptet, von Verbist in dem Zoofachgeschäft, in dem er arbeitete, niedergeschlagen worden zu sein. Anschließend habe sich Verbist mit einem Weidenkorb davongemacht. Doch auf der angeblichen Tatwaffe, einem hölzernen Besenstiel, waren keine brauchbaren Fingerabdrücke gefunden worden. Ständig behauptete irgendjemand, Herman Verbist irgendwo in Mechelen gesehen zu haben. Deleu schloss die Augen.
Was würde ich tun, wenn ich ein Baby entführt hätte und auf der Flucht wäre? Mit unserer Charlotte? Mein Gott. Ich würde das nicht schaffen. Aber Herman Verbist ist schlau. Er hat alles sorgfältig geplant. Er hat vermutlich die Babyausstattung von zu Hause mitgenommen. Aber wo steckt er nur?
Deleu öffnete die Augen, hustete röchelnd und rieb sich über die hämmernden Schläfen. Der Regen fiel inzwischen wie aus Eimern vom tintenschwarzen Himmel.
Alain, der Wirt des »Cirque«, der sich zu ihm gesellt hatte, rieb sich vergnügt die Hände.
»Gut, dass wir hier drin im Trockenen sitzen.«
Deleu lächelte matt und bewunderte ein Plakat mit einem stilisierten Saxophon.
»Warst du an unseren Jazzabenden schon mal hier?«, fragte Alain. »Die Musik ist wirklich klasse.«
»Nein, leider nicht, keine Zeit.«
»Du siehst ganz schön müde und fertig aus. Bist krank, oder? Woran arbeitest du denn zur Zeit?«
Deleu seufzte, antwortete aber nicht.
»Noch ein Weißbier aufs Haus?«
»Auf dich oder aufs Geschäft?«, fragte Deleu zurück.
Alain grinste, und Deleu zeigte auf das Plakat an der Wand.
»Habt ihr denn dadurch mehr Zulauf?«, fragte er und verlieh dem Gespräch damit eine andere Wendung.
Der Kneipenwirt runzelte die Stirn.
»Durch die Jazzabende, meine ich.«
»Nein, kann man nicht sagen. Das zusätzliche Publikum kommt nur wegen der Musik, die meisten sind Kenner. Allerdings ist die Musik auch wirklich erstklassig.«
»Aber du hast nichts davon. Nein, diesmal bezahle ich, und schenk du dir auch etwas ein.«
Als Alain mit zwei Gläsern Bier und einem Teller großzügig mit Selleriesalz bestreuter Käsewürfel zurückkehrte, kam Rob zur Tür herein.
Deleus neunzehnjähriger Sohn schüttelte sich wie ein Hund die Regentropfen von der Jacke und ging rasch auf seinen Vater zu.
»Hallo, Papa. Und, was gibt’s Neues?«
Rob begrüßte seinen Vater mit einem kräftigen Händedruck.
»Ach, nichts Besonderes. Ich wollte dich nur mal wieder sehen. Das letzte Mal ist ja schon eine Weile her.«
»Oje, du siehst aber gar nicht gut aus!«
Deleu zog ein Taschentuch hervor und schneuzte sich lautstark die Nase. Er befühlte seine Stirn. Sie glühte.
»Wir haben uns wirklich lange nicht gesehen.«
Rob zog bedächtig einen Stuhl heran. Wenn sein Vater so anfing, stimmte meistens irgendetwas nicht.
Alain, der ideale Wirt, ließ die beiden diskret allein und setzte sich an die Bar.
»Wie geht es Mama?«
Da haben wir den Salat.
»Mir geht es gut, danke.«
Deleu blickte ihn erstaunt an.
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