Bosmans/Deleu 04 -Todeswahn
überhaupt als Mensch wiederkomme? Angenommen, ich kehre als Grashalm zurück, als stinknormaler Grashalm. Im Winter döst man ruhig vor sich hin, außer, man wächst an einem Baum, wo sie einen bepinkeln und auf einem rumtrampeln. Ich kann die Schmerzen jetzt schon fühlen, die Schmerzen und die Erniedrigung. Und dann, wenn der Frühling kommt, wird man mindestens einmal pro Woche abgemäht. Die Säfte fließen aus der offenen Wunde. Das sorgfältig aufgebaute Chlorophyll, von dem der unbarmherzig mähende Mistkerl lebt, wird jedes Mal wieder verschwendet, und wenn die Wunde verheilt ist, wird erneut gemäht. Nein, da wachse ich lieber an einer Mauer, da wird man mit Unkraut Ex besprüht und stirbt. Nein, lieber will ich nicht wiedergeboren werden. Nichts da.
Ich komme in den Himmel.
Wenn ich Wichtchen ein guter Vater bin.
Und falls ich das nicht schaffe, kann ich immer noch schnell zur Beichte gehen.
Die Beichte, darüber habe ich schon nächtelang nachgegrübelt.
Wann genau muss man beichten? Und werden einem dann alle Sünden vergeben? Wirklich alle? Die Sache muss doch einen Haken haben! Ich sollte mich lieber nicht auf so eine schnelle Beichte kurz vor dem Tod verlassen.
Und dann der Himmel an sich. Da soll es Reisbrei geben. Ich mag keinen Reisbrei. Ob ich da noch einen Schwanz habe? Ein Leben ohne Schwanz kann ich mir schlecht vorstellen. Ich bin der Teufel. Ich bin der letzte noch lebende Teufel auf Erden.
Ich werde ewig leben.
Dieser letzte Gedanke flößte Herman Verbist, der sich in den Schritt fasste und »Chrissie« stöhnte, Angst ein.
Sie kommt nicht mehr, dachte er. Gute Nacht, liebe Laura.
Vor sich hin murmelnd ging er ins Schlafzimmer, wo er mutlos ins Bett kroch und bei Wichtchen Trost suchte, die zusammengerollt wie ein Fötus schlief. Ihr Atem ging regelmäßig, und der Daumen war ihr aus dem Mund gerutscht.
Verbist wäre am liebsten in sie hineingekrochen.
Er schnupperte an ihr.
Sie duftete nach Baby, nach Unschuld, und als er mit der Nase ihre vor Schweiß glänzende Stirn berührte, regte sie sich unruhig und schlang die Arme um ihn.
»Du darfst nicht sterben. Niemals.«
Herman Verbist schmiegte sich mit seinem nackten Körper schützend an sie und bat Gott um Vergebung.
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Mittwoch, 26 . November – 23 Uhr 55
H ungrig und unzufrieden wälzte sich Dirk Deleu im Bett herum. Er konnte nicht schlafen und griff zum zigsten Mal nach seinem Handy, das auf dem Nachttisch lag. Nein, es summte nicht.
Ich werde auch noch schizophren, wenn ich nicht aufpasse!
Deleu richtete sich auf und setzte sich auf den Bettrand. Er griff nach seiner Jeans, holte ein zerknittertes Päckchen Belga aus der Gesäßtasche, zog mit den Zähnen eine Zigarette heraus und rauchte schweigend und mit geschlossenen Augen.
Morgen, Dirk. Morgen. Er war zu Fuß unterwegs, also wohnt er hier irgendwo in der Nähe.
Deleu wedelte mit der rechten Hand, als wolle er den Rauch vertreiben, aber in Wirklichkeit wollte er die Gedanken an den Mann mit dem Frittenpäckchen verscheuchen, die ihn jetzt schon – er sah auf seinen Reisewecker – seit einer Stunde wach hielten.
Beim siebten Zug behielt er den Rauch im Mund und riss die Augen weit auf.
Sanjana … Sandra Janssens! Dieses Protokoll! Fahrerflucht!
»Das ist es! Verdammt noch mal!«
Deleu griff nach dem Handy, schlüpfte in Jeans und Schlabberpulli, fand seine Strümpfe nicht und hüpfte barfuß die Treppe hinunter.
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Donnerstag, 27 . November – 0 Uhr 25
D er Offizier vom Wachdienst schloss die Tür auf, und er hatte das Licht noch nicht eingeschaltet, als Deleu schon wie vom Teufel gehetzt zum Archivschrank rannte und einen grauen Ordner herausholte.
Hastig raschelten seine Finger durch das Papier.
Plötzlich hielt er inne, klappte die Metallringe auf, nahm eine Mappe heraus und schlug das Protokoll mit der Aufschrift »Fahrerflucht« auf.
Die Tat ereignete sich am 25 . November dieses Jahres und wurde in keinem früheren Protokoll aufgenommen.
Fahrerflucht
Mechelen, 25 . November 2001
Ich, Adjunct-Commissaris Paul Vandeuren, Mitglied der Polizei Mechelen, erhielt heute von Hulpagent Maurits Pauwels folgenden Bericht:
»Heute, am 25 . November 2001 um 17 Uhr 25 , erhielt ich den Auftrag, mich in die Drabstraat zu begeben, wo ein Unfall mit Fahrerflucht stattgefunden haben sollte. Am Unfallort wartete Mijnheer François MORRET , geboren in Mechelen am 23 . 04 . 33 , wohnhaft Acaciadreef 26 , 2800
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