Bosmans/Deleu 05 -Schnitzeljagd
gemacht. Aber Lenorme und seine Kumpane haben nichts gefunden. Keine einzige brauchbare Spur. Der Freund hatte ein wasserdichtes Alibi. Das Mädchen wohnte noch zu Hause, und die beiden führten eine lockere Beziehung. Das ist schon alles. Die Eltern wussten nicht mal, dass ihre Tochter einen Freund hatte. Dann wurde noch schnell der Freundeskreis vernommen. Akte geschlossen.«
»Wirst du die Akte wieder öffnen?«
Bosmans lächelte, als er Deleus sehnsüchtigen Blick sah. »Die Ähnlichkeit ist zumindest frappierend«, erwiderte er ausweichend.
Deleu betrachtete seinen Freund, den Untersuchungsrichter. Er sah gut aus und war ausnahmsweise mal tadellos gekleidet: eine messerscharfe Bügelfalte in der Hose und ein sorgfältig gestärktes Hemd, zwar mit aufgekrempelten Ärmeln, aber blütenweiß.
Deleu dachte an Eva, Bosmans’ Tochter, die mit ihren beiden Kindern wieder zu ihren Eltern gezogen war. Zu Jos und Maud. »Wie geht es Eva und den Kleinen?«
Bosmans, der tief in Gedanken versunken war, erwachte ruckartig aus seinen Tagträumen. Er zuckte die Achseln, und als er Deleu eine Zigarette anbot, sprach aus seinen Augen leise Resignation. »Sie reden noch miteinander.« Mehr sagte er nicht dazu.
»Hm«, brummte Deleu, während er seine Zigarette anzündete und seinem Freund Feuer gab. Dieser inhalierte tief und drückte die Zigarette dann in die Rille des Glasaschenbechers. Er bemühte sich, sie waagerecht darin zu plazieren, doch die glühende Spitze fiel immer wieder in den Aschenbecher.
»Es ist nicht leicht für Maud. Wir werden sehen.« Bosmans nahm noch einen tiefen Zug und blies den Rauch durch die Nasenlöcher. »Eva schafft das schon. So schnell kriegt man eine Bosmans nicht unter«, sagte er kämpferisch. Und dann deutlich sanfter: »Ein Jammer, dass sie wieder bei uns wohnt. Ich denke, dass Bas, ihr Mann, Angst vor mir hat. Das macht die Sache nicht unbedingt leichter.«
Deleu klopfte seinem Chef aufmunternd auf die Schulter und grinste. »Angst … vor dir? Ist das denn die Möglichkeit?«
Bosmans schaute seinen Freund verwirrt an, doch dann entspannten sich seine Gesichtszüge. »Blödmann.«
»Jos, du musst …«
»Ja ja. Schon gut. Du bist wirklich der Letzte, der anderen Ratschläge zur Regelung ihres Privatlebens geben sollte, oder etwa nicht?«
Betreten schaute Deleu zur Seite. »Ja schon. Ich meinte ja bloß …«
»Ist schon gut. Tut mir leid.«
»Dann wirst du die Akte also wieder öffnen?«
Bosmans schüttelte mitfühlend den Kopf und nahm Deleu an der Schulter. »Komm, wir gehen im
De Cirque
einen trinken. Beinah hätte ich dich schon wieder falsch eingeschätzt.«
Deleu folgte seinem Freund zur Tür und lächelte, als er den Kaffeefleck auf Bosmans’ Ärmel sah.
Der morsche Holzboden knarrte, als die beiden zur Wendeltreppe gingen. Das vertraute Bild gab Deleu ein angenehmes Gefühl, während er an die einsamen Stunden als Privatdetektiv in seinem heruntergekommenen Büro zurückdachte. Dennoch spürte er einen Stich der Angst im Magen. Alte, vertraute Dinge sind unbezahlbar und von unschätzbarem Wert.
Barbara. Barbara oder Nadia? Oder alle beide?
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5
D raußen war es kühl und still. Der Himmel war grau und von tiefhängenden Wolken bedeckt, die ständig ihre Gestalt veränderten.
Nadia Mendonck stieg aus dem Auto und schlug ihren Kragen hoch. Verstohlen schaute sie zu Deleu, der in seinem schwarzen Sakko und dem ebenfalls schwarzen Mantel trotz der frühen Morgenstunde gut aussah. Es schien, als würde er ihren Blick spüren, denn er drehte sich um, einen sanften, rätselhaften Ausdruck in den Augen.
Als er fragte: »Hast du schon einen Namen für …?«, ging ein Schauer durch ihren Körper, aber sie ließ sich ihre Gefühle nicht anmerken. Sie marschierte an Deleu vorbei und erwiderte: »Ja. Frank oder Dirk.«
»In dieser Reihenfolge?«, fragte Deleu und verspürte ein Gefühl der Erleichterung, das er nicht deuten konnte. Seit Nadias Beichte war dies das erste Mal, dass sie offen über die Schwangerschaft sprachen.
Nadia Mendonck lächelte und ging entschlossen zur Nummer 17 , einem Reihenhaus mit Fensterläden und einer Stufe vor der pompösen Haustür, die in dieser engen, bescheidenen Straße kitschig anmutete. Sie drückte auf die Klingel. Als sie Deleus warmen Atem über ihre Wange streichen fühlte, schob sie die Hände tief in die Manteltaschen.
Annick de Kimpe, eine fünfzigjährige Frau mit weichen Zügen und traurigen Augen, nickte ihnen
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