Bossing - wenn der Chef mobbt
ausgeprägten Bedürfnissen fördern Bossingaktionen. Einem solchen Menschen geht es um Anerkennung, er will einen Wettkampf unbedingt gewinnen. Dafür schätzt er Prinzipientreue nicht besonders hoch ein. Zusammenfassend kann man sagen:
Der typische Bosser ist aggressiv, anerkennungssüchtig und ich-schwach, sowie ethisch und moralisch unreif oder zumindest untererentwickelt.
Menschen mit Motivwerten, wie sie die hellen Balken zeigen, können ebenfalls über eine starke Bossingmentalität verfügen.
Bosser-Motivprofil (die bipolare Ausprägung der Grundmotive wird ausnahmsweise, aus Gründen der einfacheren Darstellung nicht beachtet)
Macht und Status sind wichtig, Hilfe und Fürsorge für andere dagegen ziemlich unwichtig. Diese Eigenschaften können Bossingtendenzen nachhaltig fördern:
In vielen Fällen möchte ein Bosser am liebsten Alleinherrscher sein, er neigt zu Despotismus, gibt sich seinem Gefühl hin, auserwählt zu sein; außerdem tendiert er zu egoistischer Kälte.
Achtung: Dieses Profil gilt nicht für manifeste Neurotiker und psychopathologisch begründetes Bossingverhalten! Eine mit überwiegend negativen Handlungsmethoden gestaltete Motivationsstruktur kann jedoch entsprechende Neurotisierungen nachhaltig fördern oder gar hervorrufen.
Alle anderen Grundmotive tragen in ihrer gelebten Negativität zum jeweilig individuellen Bossingstil bei. Ein risikofreudigerBosser wird offensiv und Kick suchend bossen. Dagegen wendet ein Risikoscheuer lieber defensive Methoden an, agiert verdeckt und schattenartig. Ist ein Bosser ordentlich veranlagt, so gliedert er wahrscheinlich sein ungutes Verhalten in ein zwanghaftes System mit rigiden Strukturen und Prozessen. Im Gegenteil geht ein flexibel motivierter Chef nach dem Mobbingprinzip »Chaos« oder »Immer wieder etwas anderes« vor.
Führungsaktivitäten und Ich-Projektionen
»Typisch für die menschliche Kommunikation im Konfliktfall ist, dass jeder Kontrahent sich in ›seinem‹ Wertehimmel sonnt und den anderen im Keller der Entartung verortet«, stellt Friedemann Schulz von Thun fest (2006, Seite 172).
Diesen Sachverhalt nennen wir Ich-Projektion oder »motivationale Selbstbezogenheit«. Wir beurteilen andere Menschen gern nach unseren eigenen Motiven und Wertvorstellungen. Dies tun wir umso mehr, je gegensätzlicher die Grundmotive der anderen Seite (scheinbar) ausgeprägt sind.
Sehen wir uns dazu das Beispiel zum Grundmotiv Ordnung an, das Schulz von Thun gibt (2006, Seite 43): Dieses Motiv beinhaltet die beiden Antriebe »ordentlich« und »flexibel«. Kommt es zum Konflikt, sieht jede Partei die Fehler der anderen Seite anhand der eigenen Weltanschauung. Der eine schätzt Ordnung und verteufelt das Chaos der anderen Seite. Jene bevorzugt Flexibilität und wirft dem Kontrahenten Kleinkariertheit vor – aus der eigenen Sicht zutreffend, doch was bedeutet das?
Die Kontrahenten sind geprägt von:
Missverstehen: Der eine versteht nicht, dass sich der andere anders verhält.
Selbst-Illusion: Man glaubt, selbst über die besten Antriebe zu verfügen, die auch für andere gelten sollten.
Motiv-Tyrannei: Der eine will den anderen davonüberzeugen, seine in den eigenen Augen falschen Lebensprämissen aufzugeben.
Zwischen diesen Aspekten ihrer zum Teil widersprüchlichen Motive sind bossende Chefs gefangen – zum Leidwesen ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Der Konflikt um das Thema Ordnung ist wohl vielen aus dem Alltag bekannt. Was steckt hier genau dahinter? In der folgenden Abbildung erkennen wir, wie es in den beiden Menschentypen aussieht.
Grundmotiv
Grundmotiv-Ausprägung
Eigenwahrnehmung (denkt über sich)
Fremdwahrnehmung (denkt über anderen Motivtyp)
Ordnung
der Organisierte
geordnet, kontrolliert, klar, planvoll, zuverlässig, genau, gründlich
schlampig, leichtfertig, lotterig, oberflächlich, liederlich; Chaot
der Flexible
spontan, beweglich, aufgeschlossen
rigide, unflexibel, verknöchert; Oberbuchhalter, Ordnungsfanatiker, Erbsenzähler
MSA-Grundmotiv: Ordnung und Ich-Projektionen
Ab der zweiten Stufe eines eskalierenden Konflikts lassen solche Stereotypisierungen und die dazu passenden moralischen Abwertungen auch zunächst harmlose Differenzen zu brutalen Konflikten ausarten. Die Tabelle ähnelt dem zugehörigen Wertequadrat, nur dass es hier um positive Eigenwahrnehmungen geht, die negativen Fremdwahrnehmungen widersprechen. Wer kennt so etwas nicht? Was für den einen das kreative Chaos ist, wird vom anderen nur als
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