Bossing - wenn der Chef mobbt
Wertemanagement oder »Kharmakapitalismus« signalisieren schon länger, dass der Wertewandel auch die Unternehmen erfasst. Diese Entwicklung lässt sich auch unter dem Begriff CSR-Strategie einordnen, er steht für Corporate Social Responsibility, eine soziale Verantwortlichkeit der Unternehmen. Sie wollen darin Engagement, gesellschaftliche Verantwortung und gelebte Unternehmenswerte zeigen.
Corporate Social Responsibility ist gerade im Bossing- und Mobbingkontext wichtig. Das Konzept rückt die soziale Dimension von Nachhaltigkeit in Unternehmen in den Mittelpunkt. Neben Umweltschutz zählt dazu auch die gelebte Verantwortung für die Menschen, ihre Visionen und Werte.
Wir gehen davon aus, dass eine flächendeckende Umsetzung der Strategie des evolutionären Win-Win in allen Unternehmensbereichen die wirksamste Anti-Bossing-Strategie darstellt. Praktisch realisiert bedeutet das: Unternehmen verpflichten sich der Fairness.
Wir möchten das Verständnis für dieses elementare Anti-Bossing-Phänomen einer fairen Unternehmenskultur an dieser Stelle mit Überlegungen zu Unternehmensleitbildern vertiefen. Diese Leitbilder werden praktisch ausnahmslos als Metaphern realisiert und kommuniziert. Grundlegende Fragen lauten daher: Welche Metaphern sind für die Unternehmenskultur – und den individuellen Businessalltag der Bosse – gültig? Was erhellen die dahintersteckenden Denk- und Sprachbilder über den tatsächlichen Umgang? Welche Gedanken und welche Handlungsanleitungen liefern sie?
Die Denk- und Handlungswelt in den Unternehmen ist höchstkomplex. Unternehmen sehen sich als Netzwerk, lernender Organismus, Kaserne, Uhrwerk, Familie, Kathedrale, Orchester und in vielen anderen Bildern. Einige davon gelten als unternehmerische Leitbilder .
Solche Leitbilder sollen Vorstellungen über einen wünschenswerten Zustand im Unternehmen festhalten. Die Umsetzung wird als unternehmerische Aufgabe verstanden. Das Leitbild soll den Beschäftigten eine Orientierung für ihr Verhalten geben.
In kritischen Situationen kann ein solches Leitbild auch im Umgang zwischen Hierarchiestufen hilfreiche Handlungsanleitungen geben.
Das Leitbild ist daher wesentliches Element der realen Corporate Identity. Es stellt den Organisationspsychologen Cornelia Hegele und Alfred Kieser zufolge eine »idealisierte, typisierte Vorstellung einer organisatorischen Grundstruktur« dar. Dazu zählen Ideen, Glaubenssätze und Werte, die mit Strukturen und Prozessen kombiniert werden, wie die Dinge umgesetzt werden sollen.
Metaphern spielen bei der Umsetzung eine wichtige Rolle, wie das von Apple-Chef Steven Jobs geprägte Unternehmensleitbild: » Apple ist die letzte Macht der Freiheit vom Big Brother «. Es ging damals um den harten PC-Konkurrenzkampf gegen IBM. Damit positionierte sich Apple mit dem Thema Revolution und kommunizierte das sowohl intern wie auch nach außen. So war das Ziel des Unternehmens vorgegeben, den Mitarbeitern wurde eine Möglichkeit der Identifikation angeboten – und der Gegner (IBM) war auch gleich identifiziert.
Ein bekanntes Unternehmensleitbild ist jenes von der Maschine. Es fördert das mechanische, streng lineare Denken und Handeln. Grundgedanke: Alles muss funktionieren wie ein gut geöltes Räderwerk. Die Mannschaftsmetapher rückt hingegen das Miteinander in den Mittelpunkt: »Wir sind ein Team.«
Wäre Bossing oder Mobbing möglich, wenn ein beziehungsorientiertes Leitbild den Unternehmens- und Führungsalltag bestimmt? Sicher nicht.
Denken Sie an das bereits zitierte Interview von Dov Seidman mit Spiegel Online (11/2008): »Guter Kapitalismus funktioniert so, dass man in eine Mannschaft investiert und viel dafür tut, dass sie gewinnt. Man ist der Mannschaft verbunden.«
Menschliche Fairness spielt jedoch bei den Machtspielen der Chefs gar keine Rolle. Stattdessen schätzen sie unfaire Praktiken: Sie schotten sich ab, tarnen Maßnahmen als etwas vermeintlich anderes, um sie dem Gegner schmackhaft zu machen. Sie lassen sich gegen vermeintlich kritische Mitarbeiter zu unfairen Attacken hinreißen, die gegen gesetzliche Standards verstoßen.
Bereits Richard Sennet warnte Ende der 1990er Jahre vor dem anhaltenden Niedergang der Unternehmens- und Führungskultur. In seinem Buch »Der flexible Mensch – Die Kultur des neuen Kapitalismus« warnte er vor einem Klima, in dem Werte wie Bindung, Zugehörigkeit oder Vertrauen wertlos werden. Dies gefährde die Stabilität des gesamtgesellschaftlichen Gefüges.
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