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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Lindemann
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Vergangenheit als auch heute noch. Er war in einem christlich geprägten Umfeld aufgewachsen. Seine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche hatte Bestand, seit er ein Säugling war. Für ihn gehörte es einfach zu seinem Leben, ein Umstand, dem er nie viel Beachtung schenkte, von dem er aber wusste, dass es ihn gab. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, sich Gedanken darüber zu machen, ob es vielleicht die Christen waren, die mit ihrer Vorstellung vom Theismus falsch lagen, und die Wahrheit stattdessen vielleicht im Islam zu finden wäre. Schon gar nicht war es ihm in den Sinn gekommen, darüber zu spekulieren, ob es überhaupt einen Gott gab. Ihm wäre im Traum nicht eingefallen zu hinterfragen, wie es eigentlich sein konnte, dass so viele verschiedene Konfessionen nebeneinander existierten, eine jede für sich in dem festen Glauben, das Richtige zu tun. Dabei lag es auf der Hand, dass nicht alle recht haben konnten.
    Jetzt saß er einem vermeintlichen Engel gegenüber und kam sich unglaublich naiv und oberflächlich vor.
    »Es gibt gar keinen Gott?«, sagte Kamp unsicher.
    Die Enttäuschung war Robard deutlich anzusehen. Er hatte offensichtlich mehr von Kamp erwartet.
    »Selbstverständlich gibt es einen Gott! Denkst du denn, dass dies alles hier einfach so von ganz allein entstanden ist? Ein evolutionärer Prozess, ähnlich dem auf Erden? Sei nicht albern. Es gibt ihn. Er ist nur nicht so, wie ihn sich alle vorstellen. So viele verschiedene Religionen, aber keine trifft ins Schwarze.«
    Kamp kniff verwirrt die Augen zusammen und schüttelte entschuldigend den Kopf.
    »Es ist doch eigentlich ganz einfach zu verstehen. Die meisten Menschen sind sich sicher, dass es ihn gibt. Damit haben sie auch recht. Aber ihre Vorstellung davon, was er ist, wie er ist, von der Rolle, die er im Leben der Menschen spielt, ist falsch. Ihr liegt alle daneben! Die heilige Dreifaltigkeit ist keine schlechte Idee, trifft aber nicht zu. Er weist es von sich, eine Art gespaltene Persönlichkeit zu sein, um es mal überspitzt auszudrücken. Und glaub mir, er kann sich beim besten Willen nicht erinnern, irgendeiner Jungfrau jemals ein Kind angedreht zu haben. Das ist gar nicht sein Stil. Den Namen YHWH kann er nicht mal richtig aussprechen, nicht weil er zu heilig ist, sondern weil man sich dabei den Kiefer ausrenkt. Er hat nie auch nur mit dem Gedanken gespielt, sich einem bestimmten Mann zu offenbaren, um ihm seine Lehren um die Ohren zu hauen, auf dass der dann sein Wort verkündend durch die Gegend zieht. Und diese Litanei lässt sich endlos fortsetzen.«
    Kamp nickte zaghaft. Er fühlte sich wie von einem Bus angefahren, glaubte aber zu verstehen, was der Bote ihm sagen wollte.
    »Das ganze Leben in Frömmigkeit, Kirchen, Moscheen, Synagogen, Opferstöcke, beten, nach religiösen Maßstäben leben, alles umsonst?«
    »Nein!« Robard seufzte. »Es ist nicht umsonst. Es ist gut. Viele Menschen beziehen eine enorme Kraft aus ihrem Glauben. Es geschehen viele gute Dinge auf Erden, weil die Menschen glauben.«
    Er zog eine Grimasse und rieb sich die Wangen. »Es könnte aber noch viel besser sein. Leider geschehen auch viele schlechte Dinge, weil die Menschen glauben. Dann nämlich, wenn sie es übertreiben. All die blutigen Auseinandersetzungen, vermeintlich in seinem Namen. Er hat es nie verstanden. Da haben sich die Menschen wirklich nicht mit Ruhm bekleckert.«
    »Warum hat er nicht eingegriffen?«, wollte Kamp wissen.
    Robard lachte humorlos.
    »Weil das nicht seine Aufgabe ist. Auf diese Idee sind selbst die klügsten Köpfe nie gekommen! Es ist nicht so, dass er es nicht könnte, aber wohin soll das führen? Wo soll es beginnen und wo soll es enden? Die Menschen tragen die Gabe der Vernunft in sich. Sie sind die höchstentwickelten Wesen auf Erden. Gleichzeitig sind sie auch die faulsten, abgesehen vielleicht von einer Handvoll Tierarten. Sie verlassen sich viel zu sehr darauf, dass eine höhere Macht ihre Geschicke lenkt, anstatt für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Es ist seine große Hoffnung, dass sie ihre Fähigkeiten eines Tages richtig nutzen werden.«
    Kamp war beeindruckt. Eine gewisse Logik ließ sich nicht leugnen.
    »Was ist seine Aufgabe?«
    Robard breitete die Arme aus.
    »Das hier. Das Jenseits. Die Betreuung der Seelen verstorbener Menschen. Sein Hauptanliegen ist es, ihre Wünsche zu erfüllen. So etwas muss organisiert werden, sonst würde hier längst das Chaos herrschen. Und damit wären wir auch endlich

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