Bote ins Jenseits
wieder bei dem eigentlichen Grund unseres Gespräches. Was willst du?«
Da brauchte Kamp nicht lange zu überlegen. Fast hätte er vergessen, was er schon die ganze Zeit über sagen wollte.
»Ich will zurück! Ich dürfte gar nicht hier sein… glaube ich zumindest.«
Robard sah auf seinen Bildschirm und nickte.
»Ich nehme an, du meinst deinen vorzeitigen Tod? Ich lese hier, dass du behauptest, dich nicht selbst getötet zu haben.«
»Nein, natürlich nicht! Ich bin Diabetiker. Wissen Sie, was das bedeutet?«
Robard nickte, und Kamp schilderte ihm ausführlich, was sich zugetragen hatte.
»Verstehen Sie, man kann nicht an einer Überdosis Insulin sterben, jedenfalls nicht in so kurzer Zeit. Niemals hätte ich Suizid begangen! Ich fand mein Leben großartig! Ich war kurz davor, die Frau meiner Träume für mich zu gewinnen. Ich hatte einen tollen Job, in dem ich sehr erfolgreich war. Ich war zufrieden! Glauben Sie mir, für so etwas hatte ich keinen Grund.«
Robard nickte erneut und holte zu einem verbalen Faustschlag aus.
»Wenn das stimmt, gibt es nur noch eine Möglichkeit. Jemand anders trägt dafür die Verantwortung.«
Kamp richtete sich langsam auf.
»Sie meinen… Mord? Ausgeschlossen! Wer denn? Warum denn? Ich hatte keine Feinde. Nein, das glaube ich keine Sekunde.«
Der Bote trommelte mit den Fingern auf dem Schreibtisch und ließ einen abschätzenden Blick auf Kamp ruhen. Schließlich verschränkte er die Hände ineinander.
»Weißt du, es ist so. Ein Unfall, das, was du anscheinend vermutest, scheidet aus. Unfälle sind beim Todesdatum berücksichtigt. Wenn jemand aus Versehen sein Auto gegen einen Baum lenkt, weil er geträumt hat oder von irgendetwas abgelenkt war, ist das ein Unfall. Wenn jemand sich versehentlich vergiftet, weil er unaufmerksam war und statt Whisky Abflussreiniger in seine Cola gekippt hat, ist das ein Unfall. Wenn sich jemand zu viel Insulin in den Körper jagt, weil er – aus welchem Grund auch immer – nicht mehr Herr seiner Sinne ist und in Folge der Überdosis stirbt, ist das ein Unfall. Der Vorsatz ist der Knackpunkt. Du sagst, es war nicht deine Absicht zu sterben. Demnach kommt nur noch die Möglichkeit in Betracht, dass jemand es darauf angelegt hat. Du wurdest ermordet, mein Freund. Daran besteht kein Zweifel. Tut mir leid.«
Kamp war entsetzt. Er öffnete und schloss seinen Mund mehrmals, um dieses Entsetzen in Worte zu kleiden, aber es fiel ihm schwer.
»Aber… wie? Wer?«
»Es gibt da eine Möglichkeit, dies herauszufinden. Ich würde aber vorschlagen, dass ich dir erst mal erzähle, welche Möglichkeiten du hier grundsätzlich hast. Es ist nämlich nicht einfach damit getan, dass du die Ewigkeit hier verbringst. Zumindest nicht, wenn du es nicht wünschst. Ich werde dir jetzt deine Optionen aufzeigen. Du solltest dir dann ein wenig Zeit nehmen, um darüber nachzudenken, was du wirklich willst. Einverstanden?«
Kamp nickte missmutig.
»Gut! Zuallererst hast du natürlich die Möglichkeit, die Ewigkeit hier zu verbringen. Das Jenseits hat vier Ebenen. Wir befinden uns hier auf der vierten, der Verwaltungsebene. Auf der zweiten Ebene, welche die größte ist, gibt es Städte. Sehr viele, sehr große Städte. Dort leben die Seelen, die sich gegen die anderen Möglichkeiten entschieden haben. Du wirst feststellen, dass das Leben dort einige Parallelen mit dem Leben auf Erden aufweist. Das wirst du schon sehr bald kennen…«
Robard warf einen flüchtigen Blick auf den Monitor.
»… und als Kölner wohl auch schätzen lernen. Nur so viel, einige, die, ähnlich wie du, besessen waren von dem Wunsch, so schnell wie möglich zurückzukehren, verspürten diesen Wunsch nach wenigen Tagen auf der zweiten Ebene nicht mehr. Das trifft besonders auf euch Kölner zu – warum auch immer, das weißt du besser als ich. Okay?«
Kamp nickte und fragte sich, warum dieser Bote so auf seiner Herkunft rumritt.
»Fein! Die zweite Option ist die Reinkarnation. Vielleicht hast du während deines Aufenthaltes an der Anmeldung durch das eine oder andere Gespräch bereits herausgefunden, dass einige der Seelen zum wiederholten Male ein Leben auf Erden beendet haben. Dies sind Seelen, die sich in der Vergangenheit bereits für eine Wiedergeburt entschieden hatten. Sei es, um ihren Horizont zu erweitern, oder einfach, weil es ihnen dort unten besser gefällt als hier. Manche vertreten die Ansicht, dass es hier zu friedlich oder gar zu langweilig ist. Das ist natürlich
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