Bote ins Jenseits
Truppendienstgericht abgesägter Offizier, Haustyrann, Kleinkrimineller und Drogenabhängiger folgen ließ. Ich habe den Sohn nur auf Fotos und im Krematorium kennengelernt, aber dennoch ist die Ähnlichkeit mit dem Vater unverkennbar – erst mal rein äußerlich. Wenn man sich dann aber gewisse schlaue Sprichwörter vergegenwärtigt, in denen nach meiner bescheidenen Meinung oft mehr als nur ein Fünkchen Wahrheit drinsteckt, kommt man schon ins Grübeln, ob sich die Ähnlichkeit auch auf den Lebenslauf erstrecken könnte. Erst hui, dann pfui, Sie verstehen. Sein Vater hat diese Theorie, die übrigens von mir stammt, durchaus bekräftigt.«
Gregor starrte Fleischer an, als hätte der ihm gerade davon erzählt, wie er neulich zusammen mit ein paar nackten Nutten und einem Menschenschmuggler die halbe Asservatenkammer leer geraucht hat.
»Wie meinen Sie das?«, fragte er langsam, und sein Blick wanderte in Richtung Kamp, der wieder einmal den Schwanz eingekniffen hatte. Kamps Nackenfell war aufgestellt, dass man sich, beim Versuch ihn zu streicheln, die Finger perforiert hätte.
»Wie meine ich was?«
»Das mit seinem Vater. Sie haben mit ihm geredet? Sie haben ihn ausfindig gemacht?«
Fleischer lächelte ihn jovial an. »Wenn ich jetzt Ja sagen würde, hätte ich mir, glaube ich, Ihre uneingeschränkte Achtung verdient? Leider ist es nicht ganz so. Er ist zu uns gekommen. Hat die Todesanzeige in der Zeitung gelesen und wollte von uns wissen, wie es passiert ist – genau wie Sie, nur dass es ihn dem Gesetz nach etwas angeht. Wir haben es ihm gesagt und kamen schließlich ins Plaudern. Er hat sich übrigens wieder einigermaßen gefangen und führt jetzt ein Leben, das man mit etwas Wohlwollen als normal bezeichnen könnte. So wie ich das sehe, hat er einen leichten Dachschaden zurückbehalten. Aber er hat noch Glück gehabt. Andere, die ihren Körper über viele Jahre so massiv vergiftet haben, sind weitaus schlimmer dran als er.«
Gregor kniete sich schwerfällig zu Kamp und streichelte ihm über den Kopf. Er hätte ihm auch ein Brandzeichen verpassen können, Kamp hätte es wohl nicht bemerkt.
Fleischer beobachtete die beiden mit größtem Interesse.
»Das haben Sie wirklich nicht gewusst, oder?«
Gregor schüttelte den Kopf, ohne Fleischer anzusehen, und stemmte sich wieder in die Höhe.
»Zumindest nicht, dass er noch lebt, geschweige denn wieder in der Stadt ist. Aber darauf kommt es auch nicht an. Es ändert rein gar nichts an dem, was ich weiß. Herr Kommissar, ich kann und will nicht verhehlen, dass ich Sie respektiere. Sie sind mir sogar sympathisch, und es liegt mir wirklich rein gar nichts daran, Sie in Schwierigkeiten zu bringen. Wenn Sie vorhin gemerkt haben, dass ich Sie nicht anlüge, müssten Sie es jetzt auch sehen können.«
Fleischer und Gregor starrten sich gegenseitig für eine Weile schweigend an. Der Polizist sah sich schließlich nach allen Seiten um und brach mit gesenkter Stimme das Schweigen.
»Dass wir uns da richtig verstehen, das ist das letzte Mal, und zwar unwiderruflich. Und jetzt stellen Sie mir Ihre dummen Fragen, bevor ich es mir wieder anders überlege. Ich muss verdammt noch mal total bescheuert sein!«
Ein Lächeln umspielte Gregors Lippen, und er machte sich die geistige Notiz, diese Seele nach ihrem Eintreffen im Jenseits persönlich zu begrüßen und ihr einen Drink zu spendieren.
»Sie haben gestern in einem Nebensatz fallen lassen, dass Kamp sich wohl Feinde gemacht haben muss und dass er selbst erledigte, was andere nicht geschafft haben.«
Fleischer nickte knapp. »Ganz recht, das habe ich gesagt.«
»Wer hat was nicht geschafft?«
Fleischer nickte nachdenklich, schob eine Hand in die Hosentasche und schlenderte mit über die Schulter geworfener Jacke weiter.
»Das mit dem Wer ist so eine Sache. Wir wissen es nicht. Wir haben auch keinen Anlass, es noch wissen zu wollen, da Herr Kamp sich entschied, das Zeitliche zu segnen, bevor ihm etwas anderes zustoßen konnte. Im Grunde ist also nichts passiert.«
Fleischer legte eine Pause ein, und Gregor sah den Kommissar ungeduldig an.
»Bevor ihm was zustoßen konnte?«, bohrte Gregor nach.
»Wir gehen davon aus, dass es am Tag seines Todes passiert sein muss. Irgendjemand hat Herrn Kamp die Bremsschläuche gekappt. Wäre er am späten Nachmittag noch am Leben gewesen – und ergo auch noch in der Lage, sich in sein Auto zu setzen, um nach Hause zu fahren –, hätte er gut und gerne via Autounfall sein Ende
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