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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Lindemann
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überhaupt für seine Faulheit. Er bog von der Straße, in der das Haus seiner Zielperson lag, nach links in die zum Parkplatz – und seinem Auto – führende Straße ab und versuchte die Gelegenheit zu nutzen, einen flüchtigen Blick auf seinen Verfolger zu erhaschen. Er hoffte, dass er schon einen ausreichend großen Abstand zwischen sich und ihn gebracht hatte.
    Was er jedoch wahrnahm, waren die äußerst kraftvoll und gleichmäßig anmutenden Laufbewegungen eines komplett nackten Mannes, der keine Mühe zu haben schien, ihm immer näher zu kommen.
    Es war nicht mehr weit bis zu seinem Auto, das wusste er. Trotzdem würde der Vorsprung bis dahin fast aufgebraucht sein – zulegen konnte er nichts mehr, so viel stand fest. Alles, was er brauchte, war genügend Zeit, um in sein Auto zu klettern und die Tür wieder zu verriegeln. Mit einer Waffe würde ihn der Kerl kaum bedrohen, da die Möglichkeiten, so ein Ding mit sich zu führen, durch dessen Nacktheit erfreulich eingeschränkt waren, und in den Händen seines Verfolgers konnte er keine erkennen.
    Bindernagel lief direkt auf die Auffahrt zum Parkplatz zu. Er konnte sein Auto bereits sehen. Im Laufen fischte er seine Autoschlüssel aus der Hosentasche, um ja keine Zeit zu verlieren.
    Er horchte, ob er trotz seines eigenen Getrampels die Schritte seines Verfolgers hören konnte – noch mal umdrehen traute er sich nicht –, aber dann fiel ihm ein, dass der gute Mann ein FKK-Anhänger war. Nackte Menschen laufen leise!
    Bindernagel drückte panisch auf die Funkfernbedienung, und der Wagen gab ein Geräusch und ein Blinksignal von sich.
    Bei aller Panik und Aufregung empfand er – trotz seiner aktuellen Situation – so etwas wie Erleichterung, dass sein Verfolger keine Dinge wie »Halt, stehen bleiben. Polizei!« oder Ähnliches gerufen hatte. Wie es schien, war der Typ wirklich kein Angehöriger der Staatsgewalt. Die zogen in der Regel auch nicht einfach ihre Uniform aus.
    Schließlich prallte er regelrecht gegen sein Auto, riss mit aller Kraft die Tür des Wagens auf und hechtete schwer atmend in das Innere seines Fahrzeuges. Gleichzeitig zog er die Tür wieder hinter sich zu und drückte, noch halb auf der Mittelkonsole liegend, hektisch auf den Verriegelungsknopf an der Innenseite der Fahrertür. Wieder blinkte sein Wagen auf – in der Dunkelheit des Parkplatzes ein netter Effekt –, und Bindernagel fühlte sich schon ein kleines Stückchen sicherer.
    Er sah sich zum ersten Mal richtig nach seinem Verfolger um – aber es war niemand mehr da! Der Mann war wie vom Erdboden verschluckt. Bindernagel war versucht, sich ein Gefühl des Triumphes zu erlauben, aber etwas riet ihm zur Vorsicht. Vorhin war der Kerl schon fast an ihm dran gewesen, und so ruhig und geschmeidig, wie er gelaufen war, erschien es ihm unvorstellbar, dass er ihn tatsächlich doch noch abgehängt haben sollte, zumal es ohnehin nur wenige Meter bis zum Auto gewesen waren.
    In alle Richtungen drehte er sich um, aber der wahnsinnige Nackte war nirgends zu entdecken. Bindernagel atmete tief durch. Sein Herz polterte wütend in seiner Brust, und in seinem Hinterkopf fühlte er einen stechenden Schmerz. Entweder würde er zukünftig mehr Sport treiben müssen oder sich nie wieder auf so einen unsinnigen Wettlauf einlassen dürfen. Mit zitternder Hand steckte er den Schlüssel ins Zündschloss und drehte ihn um. Für nicht mal eine Sekunde sprang der Wagen an, um gleich darauf wieder zu verstummen.
    Bindernagel verdrehte die Augen und versuchte es erneut.
    Diesmal sprang der Wagen gar nicht erst an, sondern ließ nur das Orgeln des Anlassers vernehmen. Bindernagel versuchte es noch mal. Und noch mal. Und noch mal – immer mit demselben Ergebnis.
    »Das ist doch wohl nicht dein Ernst?«, herrschte er sein Auto an und sah sich mit neu aufkeimender Hektik nach seinem Verfolger um, der aber immer noch nicht zu sehen war.
    Was sollte er jetzt machen? Um den Motor zu checken – was rein technisch keine Herausforderung für ihn war –, musste er aussteigen. Das erschien jedoch extrem gefährlich und dumm.
    Er ließ zwei weitere Versuche, den Wagen in Gang zu bekommen, folgen. Vergebens.
    Bindernagel hätte heulen mögen. Bis zum Sankt Nimmerleinstag oder wenigstens bis zum nächsten Morgen hier auf diesem Parkplatz warten wollte er auch nicht. In der Helligkeit war die von einem nackten Mann ausgehende Gefahr bestimmt deutlich geringer, aber es war rattenkalt draußen, und ohne laufenden Motor gab

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