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Bote ins Jenseits

Bote ins Jenseits

Titel: Bote ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hauke Lindemann
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vorknöpft, sah er langsam von einer Seite zur anderen und wieder zurück.
    Es war alles da, was er in Erinnerung hatte – nur sein blöder Schraubenzieher nicht.
    »Mist!«, zischte er leise.
    Er stand auf, stemmte die Hände in die Hüften und glotzte, wütend und fassungslos, auf die Rolltasche. Der ganze Aufwand, die ganze Vorbereitung, die schlaflosen Nächte und die Angst- und Panikattacken über Tag – alles umsonst? Unnötig?
    Es sah verdammt danach aus, machte die Situation aber irgendwie nicht besser. Sein Schraubenzieher war unverändert verschwunden. Und es war lächerlich, sich weiter etwas vorzumachen – er hatte ihn damals dabei gehabt. Punkt, aus! Wenn er aber nicht mehr auf dem Parkplatz lag, sich auch nicht in der Rolltasche oder sonst irgendwo bei ihm zu Hause befand, wo um alles in der Welt war er dann?
    Werkzeugteile waren manchmal wie Socken. Irgendwie schienen sie die Fähigkeit zu besitzen, von selbst und auf unerklärliche Weise zu verschwinden. Aber die Zeitspanne zwischen dem frühen Morgen und der Mittagszeit war einfach viel zu kurz, von dem Mangel an Gelegenheiten mal ganz zu schweigen.
    Bindernagel schüttelte den Kopf und machte sich daran, alles wieder so zu präparieren, wie er es vorgefunden hatte. Unentwegt forschten seine Gedanken dabei – wie schon während der ganzen letzten Tage – nach des Rätsels Lösung und spielten ihm – ebenfalls wie schon während der ganzen letzten Tage – einen gemeinen Streich.
    Mit klinischem Interesse beobachtete Gregor den jungen Mann dabei, wie er ziemlich professionell die Heckklappe des VW Golf öffnete und zielstrebig die Rolltasche mit dem Bordwerkzeug hervorholte.
    Er begann zu vermuten, dass Bindernagel möglicherweise glaubte, bei seiner Sabotageaktion etwas in dem Fahrzeug zurückgelassen zu haben – etwas, das ihn verraten konnte.
    Allerdings hielt Gregor das für wenig wahrscheinlich. So wie er die Polizeiarbeit im Allgemeinen und Kommissar Fleischer im Speziellen einschätzte, wäre das aufgefallen. Er war kein ausgebildeter Polizist, aber wenn er sich vorstellte, einen derartig gelagerten Fall untersuchen zu müssen – ein Fahrzeug, bei dem die Bremsleitungen durchtrennt wurden –, hätte er als Allererstes sämtliches an Bord befindliche Werkzeug auf verdächtige Spuren überprüft.
    Bindernagels Reaktion nach dem Öffnen der Rolltasche gab ihm recht. Das, was er gesucht hatte, war eindeutig nicht da.
    Als der junge Mann begann, wieder alles so herzurichten, als wäre er nie da gewesen, hielt Gregor seine Zeit für gekommen. Es war Zeit Herrn Bindernagel auf die Finger zu klopfen!
    Er trat hinter ihn, konzentrierte sich und materialisierte innerhalb weniger Sekunden, als wäre es nicht schwerer als künstlich zu rülpsen.
    Geduldig wartete er ab und wurde sich, nachdem ihn eine eiskalte Windböe erfasst hatte, der Tatsache bewusst, dass er keine Kleidung trug. Seine Klamotten lagen wahrscheinlich immer noch auf der Herrentoilette der Stadtsparkasse am Neumarkt.
    Ihm selbst war es im Grunde egal, auch wenn er nicht gern fror. Aber Bindernagels Überraschung würde ungleich größer ausfallen, wenn nicht nur plötzlich jemand hinter ihm stand, sondern dieser jemand auch noch splitternackt war.
    Gregor grinste.
    Nachdem Bindernagel möglichst geräuscharm die Heckklappe geschlossen und in aller Ruhe begonnen hatte, sich mit einem Taschentuch notdürftig die Hände zu reinigen, räusperte Gregor sich kräftig.
    Bindernagel erstarrte in seiner gegenwärtigen Haltung und wagte es nicht, sich umzudrehen. Ein panischer Blick in die Heckscheibe offenbarte ihm das schwache Spiegelbild eines Mannes, dessen Gesicht er noch sehr gut in Erinnerung hatte. Bindernagel blinzelte und sah genauer hin. Wie es schien, stand der Mann mit freiem Oberkörper hinter ihm!
    Das war schräg, immerhin lagen die Temperaturen in dieser Nacht um die null Grad, aber es konnte ihm scheißegal sein, ob der Kerl fror. Statt ihm seine Jacke anzubieten, entschied er sich, seinem ersten Impuls zu folgen – und trat die sofortige Flucht an.
    Gregor fluchte leise. Damit hatte er nicht gerechnet. Darauf hatte er auch keine Lust. Aber Bindernagel deswegen entkommen zu lassen, war keine Option, also nahm er die Verfolgung auf. Wohin es gehen würde, konnte er sich ohne Probleme denken.
     
     
    Bindernagel lief so schnell wie wahrscheinlich noch nie in seinem bisherigen Leben. Er war nur vor dem Fernseher ein guter Sportler und verfluchte sich zum ersten Mal

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