Bote ins Jenseits
könnte.
Bindernagel hatte schon vor Betreten der Wohnung mehr Interesse für die vor dem Haus stehenden Fahrzeuge – ein Opel Astra Kombi und ein alter VW Golf Cabrio – als für alles andere gezeigt. Gregor hatte sich nichts dabei gedacht.
Aber auch beim Verlassen der Wohnung konnte Bindernagel seinen Blick von den Fahrzeugen, speziell von dem alten Golf, kaum losreißen, und bei Gregor fiel der Groschen.
Er hatte keine Ahnung, wie Kamps Golf aussah, aber seit dem Gespräch mit dessen Schwester wusste er, dass sie das in ihren Besitz übergegangene Fahrzeug verkauft hatte.
Natürlich war es zunächst nur eine Vermutung – immerhin gab es allein in Köln mindestens drei bis vier weitere Golf-Fahrer –, aber das Wissen um die manipulierten Bremsleitungen, kombiniert mit Bindernagels eindeutig verdächtigem Verhalten und seinem merkwürdigen Interesse für den Fuhrpark dieser Familie – da konnte ein Zusammenhang bestehen.
Im Moment sprachen die Zeichen dafür, dass Bindernagel zumindest derjenige war, der für das Kappen von Kamps Bremsleitung verantwortlich zeichnete.
Nach Ablauf der nächsten, enorm zähflüssig verstreichenden Stunden wusste Gregor, dass er recht hatte. Bindernagel fuhr nicht zurück nach Hause, sondern lediglich so weit, bis er einen ihm geeignet erscheinenden Parkplatz fand, in Luftlinie höchstens fünfhundert Meter von der Wohnung entfernt. Dort stellte er den Wagen ab und wartete.
Er hatte ein Buch dabei, in dem er wohl zu lesen gedachte. Es wurde nur nichts daraus, da er sich selbst ungewollt, aber konsequent davon abhielt. Immer wieder wanderte sein Blick umher, drehte er den Kopf von einer Seite zur anderen, justierte an seinen Spiegeln herum, sah im Minutenrhythmus auf die Armbanduhr, schlug den Kragen hoch und rutschte den Sitz herunter, wenn jemand den Parkplatz betrat, und war einfach nur komplett am Durchdrehen.
Sechs enervierende Stunden später, es war fast ein Uhr, und Gregor stellte kopfschüttelnd fest, dass Bindernagel in dieser Zeit ganze drei Seiten weitergeblättert hatte, verließ der endlich sein Fahrzeug und schlich sich, wie eine Raubkatze auf Beutezug, zu dem Objekt seiner Begierde, treu begleitet von seinem nicht eingeladenen, aber unmöglich abzuschüttelnden zweiten Schatten.
Bindernagel zog eine erste Bilanz und gelangte, mit einem kaum noch für möglich gehaltenen Gefühl des Triumphes, zu dem Ergebnis, dass wieder alles für ihn lief. Absolut niemand konnte ihm vorwerfen, in den letzten Stunden nicht höchste Aufmerksamkeit walten gelassen zu haben. Dass er bei dieser selbst verordneten Reizüberflutung keinen epileptischen Anfall bekam, grenzte an ein medizinisches Wunder!
Aber es hatte sich gelohnt. Ein kleiner Rest Angst würde sich nicht vertreiben lassen, aber im Großen und Ganzen war er wieder Herr der Lage, überzeugt, von nichts und niemandem beobachtet, geschweige denn aufgehalten zu werden.
Und seine Glückssträhne setzte sich fort.
Im Reihenhaus des Kinderwagendealers herrschte idyllischer Frieden. Alle Lichter waren aus, und es befand sich keine Menschenseele auf der Straße. Lediglich eine Katze rückte ihm ein wenig auf die Pelle, wenn auch nicht mit letzter Konsequenz. Entweder hatte sie einen Knick in der Optik oder war einfach nur nicht ganz dicht, jedenfalls baggerte sie nicht ihn, sondern einen Punkt etwa einen Meter neben ihm an.
Ihm sollte es recht sein, Katzen waren scheiße.
Zielstrebig ging er zum Heck des VW Golf Cabrio, der, Glückssträhne sei Dank, vor dem Astra stand und so zur Straße hin über einen prima Sichtschutz verfügte, nur für den Fall, dass vielleicht doch noch ein Betrunkener vorbeitorkeln sollte.
Er knipste seine kleine MagLite an und steckte sie sich zwischen die Zähne. Ein kurzer Griff in seine Jackentasche beförderte seinen Spezialdietrich zu Tage, den er sich schon im zarten Alter von dreizehn, zusammen mit ein paar kleinkriminellen Artgenossen, selbst gebastelt hatte. Das Ding funktionierte noch wie am ersten Tag!
Er kniete sich vor die Heckklappe, sah sich kurz in alle Richtungen um, und mit wenigen geübten Bewegungen hatte er sie geöffnet. Mit erzwungener Ruhe hob er die Matte an und holte die Rolltasche hervor, in der er sein so schmerzlich vermisstes Werkzeug wähnte. Ein kurzer Zug an dem einen Ende der Schleife, ein kleiner Klaps mit der Hand, und die Tasche rollte vor ihm auf.
Bindernagel starrte auf die ihm feilgebotenen Utensilien. Wie ein Rabbi, der sich seine Tora
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