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Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Titel: Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Víctor Conde
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bleib kurz mit Ninive hier und warte auf mich«, bat sie der Engel. »Ich gehe nur schnell vor die Tür und vergewissere mich, dass die Luft rein ist. Unsere Verfolger könnten schon hier sein.«
    »Warte, lass mich jetzt nicht …!«
    Aber Séfora verschwand, ohne ihr überhaupt die Gelegenheit zur Widerrede zu geben. Den Spiegel hatte sie auf den Ladentisch gelegt, als handelte es sich um eines der vielen Accessoires, die die Regale füllten.
    Tanya betrachtete den kleinen Gegenstand schweigend, fast ehrfurchtsvoll. Sie konnte nicht aufhören, sich darüber zu wundern, dass das, was wie ein ganz normaler Spiegel aussah, nicht schöner oder reicher verziert als andere, wenn auch aus edlem Material, ein göttliches Instrument war. Eine Reliquie, der eine magische Kraft innewohnte, die sie sich nicht erklären konnte, ein weiterer Beweis für die Existenz eines Gottes, an den sie bis zu diesem Tag nicht allzu sehr geglaubt hatte.
    Das ist normal. Nicht alle Menschen haben das Vertrauen, an etwas zu glauben, das sie nicht sehen können. Es ist mehr eine Frage des Herzens als des Willens.
    Tanya gelang es, sich zu beherrschen und angesichts der Stimme in ihrem Kopf nicht einfach davonzurennen. Es war zwar nicht das erste Mal, dass sie sie hörte, aber das hieß nicht, dass sie sich schon daran gewöhnt hatte.
    »N…Ninive?«
    Dass du mich hören kannst, ist ein weiterer Hinweis auf deine Doppelnatur, liebes Mädchen. Für uns ist das eine große Nachricht, und das wird es auch für dich sein, sobald du die Tragweite des Geschehens begreifst.
    Tanya näherte sich dem Ladentisch. Sie stützte sich lässig darauf, als hätten alle diese Wunder nichts mit ihr zu tun. Sie versuchte, es mit Fassung zu tragen.
    »Ihr müsst mir noch so viel erklären. Aber Séfora hört nicht auf zu wiederholen, dass wir keine Zeit haben. Zeit wofür? Um meine Eltern zu retten?«
    Auch wenn es paradox klingen mag: Deine Eltern sind in Sicherheit, solange sie von den Lamassu besessen sind. Die Lamassu sind Jagddämonen niederen Ranges, aber im Augenblick ist Séfora noch zu schwach, um ihnen die Stirn zu bieten. Das macht sie für uns so gefährlich. Deine Eltern zu retten und sie aus ihrer geistigen Gefangenschaft zu befreien, hat für uns oberste Priorität, da kannst du beruhigt sein.
    »Dämonen? Hier? Auf der Erde … Einen Moment! Heißt das nicht, dass …?«, stammelte sie aufgeregt.
    Nein, die Apokalypse steht noch nicht unmittelbar bevor. Das glaube ich zumindest. Für alle Fälle solltest du dich in der Nähe der U-Bahn-Tunnel aufhalten.
    »U-Bahn? Warum das denn? Was hat denn die U-Bahn mit der Apokalypse zu tun?«
    Das ist eine lange Geschichte.
    Tanya dachte kurz nach. Wenn der Geist die Sache nicht weiter vertiefen wollte, war es wohl besser, das Thema zu wechseln.
    »Ninive, was ist mit Séfora? Es scheint ihr nicht wirklich gut zu gehen, seit wir aus der Wohnung meiner Eltern geflohen sind.«
    Das habe ich sie auch schon gefragt, aber sie will mir partout nicht antworten. So ist sie, stur wie ein Esel, nur dass er Flügel hat. Aber gerade deshalb mag ich sie so. Ihre Sturheit ist etwas, das sie mit ihrer menschlichen Herkunft verbindet.
    Tanya dachte über die Bedeutung des Satzes nach.
    »Willst du damit sagen«, fragte sie und deutete auf den Gang, durch den der Engel verschwunden war, »sie ist … oder war auch mal ein Mensch, wie ich?«
    Das ist schon so lange her, dass sie sich nicht einmal selbst richtig erinnern kann, aber ja, das war sie. Ein göttlicher Gesandter rettete sie vor einem Massaker in einer alten Stadt und rekrutierte sie für die Truppe, die Himmlischen Heerscharen, die gegen den Teufel kämpfen.
    »Wahnsinn …« Die vielen neuen Begriffe faszinierten und überforderten sie zugleich. Sie merkte, dass sie die Hierarchien, die in dieser anderen Wirklichkeit herrschten, immer weniger verstand, aber es war alles so aufregend und wunderbar, dass sie nicht aufhören wollte, Fragen zu stellen. »Sie ist also sehr alt? Ich meine: das mit der Stadt, ist es sehr lange her?«
    Die Greisin setzte ein schelmisches Gesicht auf. Sagen wir so, als sie geboren wurde, hatten deine Landsleute noch lange nicht den Ort geschaffen, an dem wir uns jetzt befinden.
    »Du meinst dieses Kaufhaus?«
    Ich meine diese Nation.
    Sie schwiegen eine Weile. Tanya war sich nicht sicher, wie viele Neuigkeiten ihr Verstand noch aufnehmen konnte. Aber sie hatte noch eine Frage, die ihr wichtiger war als alle anderen und auf die sie

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