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Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Titel: Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Víctor Conde
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und hörte nicht auf zu schreien, als Séfora schließlich die Flügel aufspannte, die sie bis zu diesem Moment eng an den Körper angelegt hatte, und mit einer großen Kurve den Aufwärtsflug begann. Der Druck der Schwerkraft zeichnete Wellen auf ihre Wangen.
    Oben, vom Fenster aus, starrten ihre Eltern mit flammenden Elfenbeinaugen auf sie hinunter. Mit den Händen brachen sie spitze Splitter aus der Eisschicht und warfen sie mit schrecklichem Gebrüll in die Tiefe.
    Die Splitter kamen wie Geschosse auf sie zu. Séfora sah aus dem Augenwinkel, dass die Eisdolche gefährlich nah an ihnen vorbeisausten, bis sie einen stechenden Schmerz im Rücken spürte. Fast hätte sie Tanya losgelassen, aber dann packte sie sie noch fester und schlug ein paar Purzelbäume.
    Tanyas Schrei war noch nicht verklungen. Es war erstaunlich, wie viel Luft die Menschen in ihren Lungen speichern konnten.
    Der Splitterregen ließ nach, als die Mädchen zwischen den Gebäuden verschwanden und im Zickzack zwischen Dachterrassen und Telefonmasten hin und herflogen, die Tanya bislang immer nur von unten, von der Straße aus betrachtet hatte.
    Wie anders die Stadt aus der Luft aussah! Von oben war sie ein völlig anderer Ort, nicht mehr die altvertraute Betonwüste, die sie hatte aufwachsen sehen, und die sie wahrscheinlich auch einmal sterben sehen würde.
    Als sich der Engel schließlich auf einer Dachterrasse niederließ, ging Tanya die Luft aus und ihr Schrei verstummte. Das Gebäude war unbewohnt, zumindest nachts. Sie erkannte es wieder: Es war der Turm aus Stein und Glas, in dem sich das Finanzamt befand, eines dieser Bauwerke vom Anfang des Jahrhunderts, die in ihren Spitzdächern riesige Uhren beherbergten. Kurioserweise hatte Tanya, bevor sie mit ihren Eltern in das Hochhaus gezogen war, oft träumerisch zu diesem Dach hinaufgeschaut und sich gefragt, wie es wohl wäre, von dort oben die Straßen zu beobachten, ihre Schulkameraden auf dem Weg zur Schule vorbeilaufen zu sehen.
    Zu ihrer Enttäuschung war die Dachterrasse, die sich hinter der Uhr befand, klein und ungemütlich und außerdem ziemlich dreckig. Alles war flächendeckend mit getrocknetem Taubenkot beschmutzt, der sich mit dem Kältemittel der Klimaanlage vermischt hatte, sodass eine ganze Wand mit Rostflecken übersät war.
    Der Engel setzte sie behutsam auf dem Boden ab. »Geht es dir gut? Haben sie dich erwischt?«, erkundigte er sich.
    Tanya blickte ihn ein paar Sekunden lang schweigend an, dann wandte sie sich um und entleerte ihren Mageninhalt auf einen der Kühlkästen.
    Séfora verzog angewidert das Gesicht und wandte sich ab, während sich das Mädchen Erleichterung verschaffte.
    »Diesen Aspekt eurer Physiologie hatte ich ganz vergessen«, raunte sie. »Wie eklig.«
    Tanya war sich nicht sicher, ob sie den Schweiß meinte, der ihr sichtbar auf der Stirn klebte, oder das Erbrochene.
    Weil sie nichts anderes hatte, wischte sie sich mit dem Jackenärmel den Mund ab und blickte ängstlich zu ihrer Retterin auf. Sie hätte sie auch »Einbrecherin«, »Angreiferin« oder »Kidnapperin« nennen können.
    »W… wer bist du? Wie hast du …?« Sie deutete mit zitternden Fingern auf den Spalt zwischen den Gebäuden.
    »Wie ich es geschafft habe, durch sechs Häuserblocks zu fliegen?«
    Sie hob die gefiederten Flügel über den Kopf und bildete damit eine Art Kuppeldach, das sie vor dem einsetzenden feinen Nieselregen schützte. Mit der Spitze des rechten Flügels kratzte sie sich am Hinterkopf, um einen Juckreiz zu lindern. Die Geste hatte etwas befremdlich Animalisches, sie erinnerte eher an einen riesigen Raubvogel als an einen Himmelswächter.
    Tanya begriff, dass die Antwort auf der Hand lag. Stattdessen gab es tausend andere Fragen, die sie jetzt hätte stellen können.
    »Bist du echt?«
    »So sieht es aus. Überraschung!«
    »Meine Eltern …« Die Worte blieben ihr im Hals stecken.
    Séfora blickte sie mit einem Ausdruck göttlicher Milde an, der sie mehr als alles andere einschüchterte. Sie hatte den klassischen Blick der Heiligen, der frommen Statuen in den Kathedralen. Einen Blick, der zu sagen schien: »So sind die Dinge eben, liebes Mädchen, und dir bleibt nichts anderes übrig, als auf bessere Zeiten zu vertrauen, wenn du nicht verrückt werden willst.«
    »Ich will nicht versuchen, die Katastrophe zu verharmlosen, aber es gibt auch eine gute Nachricht: Die Wesen, die von deinen Eltern Besitz ergriffen haben, werden ihnen keinen Schaden zufügen. Sie werden

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