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Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)

Titel: Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Víctor Conde
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eigenen Landsleuten zu schützen. Es war wirklich sehr traurig, fand sie, dass ein Land eine bewaffnete Armee errichten musste, um den Hauptmotor seiner eigenen Wirtschaft vor sich selbst zu beschützen, aber so verhielt es sich eben in der Dritten Welt.
    Griechenland war zum Glück anders.
    »Zu meiner Zeit waren die Frauen nicht so«, sagte Séfora, nachdem sie eine Weile ganz versunken einer Gruppe von Mädchen zugesehen hatte, die an einem nahe gelegenen Tisch ein ziemliches Spektakel veranstalteten. Sie, Tanya und Erik saßen auf der Terrasse einer Bar mit tollem Blick auf die Bucht und auf die heitere Prozession von Jugendlichen, deren Tanz und Gelächter die Straßen in einen kleinen Karneval verwandelten. Eine digitale Thermometer-Uhr blinkte an einer Fassade auf und verkündete die Uhrzeit (dreiundzwanzig Uhr dreißig) und die aktuellen Temperaturen (achtundzwanzig Grad). »Unsere Art, auf uns aufmerksam zu machen, war irgendwie diskreter. Eleganter.«
    »Ich würde sagen, ihr habt einfach die sexuelle Revolution verpasst«, erwiderte Tanya. »Ich meine, sie fand erst lange nach eurer Zeit statt.«
    »Bin ich sehr altmodisch?«, fragte sie, als wäre ihr das Problem plötzlich erst bewusst geworden. »Ihr habt doch bestimmt einen Ausdruck dafür.«
    »Wie das Grab des Königs Tut, meine Liebe«, antwortete Erik mit einem schiefen Lächeln. »Und ja, wir haben eine Menge Ausdrücke dafür: steinzeitlich, hinterm Mond, total out, aus Omas Klamottenkiste …«
    »Erik!«, bremste Tanya ihn.
    Erik zuckte mit den Achseln. »Sie hat doch gefragt.«
    »Schon gut, er hat ja recht«, gab Séfora zu. »Die Menschheit entwickelt sich mit rasender Geschwindigkeit, und es entspricht nicht dem Wesen der Engel, sich anzupassen. Früher wart ihr diejenigen, die sich uns angepasst haben, nicht umgekehrt. Der Gedanke, dass es in dem System, in dem ich lebe, soziale Revolutionen geben könnte … brrr … gruselig.«
    »Dann bist nicht du altmodisch, Séfora, sondern das Universum, das nicht mit uns Schritt halten kann«, sagte Erik und trank genüsslich einen Schluck Bier. »Ach übrigens, weiß jemand, wie viel Geld wir noch haben?«
    Tanya, die von den anderen einstimmig zur Schatzmeisterin gewählt worden war, holte das kleine Portemonnaie aus ihrer Hosentasche. Gähnende Leere war die richtige Bezeichnung für das, was sie darin vorfand.
    »Schmeckt dir das Bier, das du da trinkst?«, erkundigte sie sich.
    Erik wog die Dose in der Hand. »Ja.«
    »Dann genieße es, denn es wird dein letztes sein.«
    Séfora sah sie besorgt an. »So schlecht sieht es aus?«
    »Wir haben fast alles, was wir in dem Kaufhaus gekl… geliehen haben, für die Flugtickets ausgegeben. Unser aktuelles Vermögen beläuft sich auf die eindrucksvolle Summe von …« Sie ließ die Münzen klirren. »Zwanzig Euro und neunzig Cents. Und eine Drachme, die ich am Boden gefunden habe.«
    »Na, großartig!«, schnaubte Erik. Er schwenkte die Dose, um festzustellen, wie viel Bier noch übrig war, und trank den Rest in winzigen Schlucken.
    »Ich hatte ganz vergessen, wie problematisch es auf der Welt ist, wenn man zu wenig Geld hat«, klagte Séfora.
    »Könnten wir nicht einfach … ähm … noch ein bisschen mehr besorgen, zum Beispiel in einem von diesen Schmuckläden?«, erdreiste sich Tanya. »Die haben sicher mehr als genug, mit ihren Diamanten und Goldkettchen und dem ganzen Zeugs. Außerdem wird ihnen die Versicherung bestimmt alles erstatten. Ich habe gehört, es gibt da eine Straße in Thira namens Ypapantis, die …«
    Séfora warf Tanya einen tadelnden Blick zu.
    Sie errötete. Sie sah ein, dass es moralisch bedenklich war, einen Engel anzustiften, für einen zu stehlen. Andererseits würden sie, wenn sie auf die Straße gehen und um ein Frühstück betteln mussten, die Welt auch nicht retten können. Jeder anständige Held brauchte etwas im Magen, bevor er seinen Feinden gegenübertrat. Deshalb war Batman auch so reich.
    Sie wechselte jetzt trotzdem lieber das Thema. »Haben wir nicht noch ein paar mehr Daten über den Jungen, den wir suchen, Ninive? Name, Adresse … oder sonst eine Information, die uns bei der Suche hilfreich sein könnte? Santorin ist ziemlich groß.«
    Séfora trug den Spiegel in der Innentasche ihrer Jacke. Damit sie im Flugzeug nicht auffielen, war sie gezwungen gewesen, etwas an ihrer Erscheinung zu ändern. Auf Tanyas Rat hin hatte sie sich ein paar leichte, sportliche und vor allem billige Kleider ausgesucht und

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