Boten des Lichts, Die Auserwählten (German Edition)
Schicksal hatte, ein Schwert? Das Symbol einer kriegerischen Göttin, die alles hinter sich ließ, um sich in Kriege zu stürzen, auf deren Ausgang sie keinen Einfluss hatte? Sah sie sich wirklich so, als Strafengel anstatt als Friedensbringer?
Die Vorstellung gefiel ihr nicht. Sie zwang sich, die Waffe loszulassen, sodass sie auf das Feld hinuntersauste. Als die Klinge die Erde berührte, zerbarsten die Täler mit einer Wucht, die mit einem Erdbeben vergleichbar war. Das Schwert blieb senkrecht in der Erde stecken und balancierte in perfektem Gleichgewicht auf seiner Spitze.
Dann riss der Nebelschleier den Boden mit sich fort.
Etwas hallte in der Ferne wider.
Die Stimmen ihrer Eltern.
Tanya …
Jemand zeichnete kleine Schlangenlinien auf ihr Gesicht. Dann endlich wachte sie auf.
Sie kniff die Augen zusammen. »Séfora?«
Tanya richtete sich auf. Im Flugzeug zu schlafen, war sogar in der ersten Klasse anstrengend (wenn auch nicht anstrengender als in den Bussen des Regionalverkehrs), und sie hatten sich nur ein Touristenticket leisten können. Das Kopfkissen, das ihr die Stewardess gebracht hatte, war immer weiter heruntergerutscht, bis ihr Hals völlig eingeknickt war, und jetzt tat ihr der Nacken weh.
Séfora saß auf dem Mittelplatz einer Dreiersitzgruppe, Erik zu ihrer Rechten am Gang. Sie hatten noch kaum Gelegenheit gehabt, mehr über ihn zu erfahren. Erik hatte ihnen am Flughafen, während sie auf das Einsteigen warteten, widerwillig ein paar Details über sein Leben mitgeteilt: Er hatte das Studium abgebrochen, um sich ganz der Welt des Films zu verschreiben, und war jetzt Stuntman für riskante Szenen, so wie sein Vater. Außerdem lastete ihm der jüngste Verlust eines Freundes auf der Seele, aber darüber wollte er nicht sprechen, schon gar nicht mit irgendwelchen Fremden.
Tanya fragte sich, ob der Unfall am selben Drehort, dort in den Bergen, passiert war. Wenn ja, musste der Schmerz noch ganz frisch sein.
Erik zeigte sich eher von seiner scheuen Seite, ihr gegenüber, aber vor allem gegenüber Séfora. Natürlich sprach er mit ihnen über alles, was ihre Mission betraf, aber den Rest der Zeit schien er mit seinen Gedanken weit weg zu sein. Tanya nahm an, dass es sich um eine Art Selbstschutz handelte, um die Unwirklichkeit der jüngsten Ereignisse zu verarbeiten, die ihn wie ein Sturzbach aus dem alltäglichen Leben gerissen hatten.
Am besten ließen sie ihm einfach so viel Zeit, wie er brauchte. Bestimmt würde er seine Abwehrhaltung, die jetzt so eisern wirkte, irgendwann aufgeben. Kein Herz war für immer eingefroren, und wenn es noch so sehr gelitten hatte.
Nicht wahr?
Eine Sache, die Erik sehr zu schaffen machte, war der Verlust des goldenen Kettchens, dieses familiären Erinnerungsstücks, das die Lamassu dazu missbraucht hatten, den Desmodu anzurufen. Man konnte Erik keinen Vorwurf daraus machen, dass er sie verloren hatte, aber nachdem Séfora ihm die Konsequenzen des Missgeschicks erläutert hatte, war Erik in tiefes Schweigen versunken.
Diese widerlichen Kreaturen hatten das Familienerbstück, das ihm mehr bedeutete als alles andere, als Schlüssel benutzt, um dem Bösen die Tür zu ihrer Sphäre zu öffnen. Dieses Detail machte die Angelegenheit für Erik zu einer persönlichen. Daher freute es ihn zu hören, dass er mit der richtigen Ausbildung die nötigen Kräfte entwickeln konnte, um sich das Kleinod wiederzuholen.
»Der Flugkapitän hat gerade verkündet, dass wir uns im Anflug auf den Flughafen befinden«, erklärte Séfora und schnallte sich an. Tanya wusste nicht warum, aber ihr war überhaupt nicht wohl bei dem Bild: Ein Engel, dessen Flügel zu schwach waren, um sich über die Wolken zu erheben, und der dazu einer Maschine bedurfte, gleichsam mechanischer Prothesen, die niemals sein hoheitliches Wesen würden ersetzen können. Es war bestürzend. Aber Séfora schien es nichts auszumachen.
Tanya lehnte sich mit der Stirn ans Fenster. Sie überflogen soeben das Ägäische Meer, und obwohl die Kykladen noch nicht in Sicht waren, glaubte sie sie bereits unter ihren Füßen zu spüren.
Kurz darauf tauchte unter den Wolken eine graue Landspitze auf. Santorin. Die Perle der Ägäis. Ein Halbmond aus Vulkangestein, der die kauterisierte Wunde des Vulkans Nea Kameni umarmte, der Legende nach kein Geringerer als der erzürnte Gott, der dem Atlantis-Mythos seinen Ursprung gab.
Der Engel hatte natürlich recht: Sie waren kurz davor, ihren Fuß auf heiliges Land zu
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