Botschaft aus der Unterwelt
fernzusehen.« Tante Mathilda stand auf und ging ins Wohnzimmer.
Gedankenversunken stieg der Erste Detektiv die Treppe hinauf zu seinem Zimmer. Nachdem er seine Tür geschlossen hatte, untersuchte er gründlich sein Hemd, seine Hose und sogar seine Schuhe. Nirgendwo war ein Sender oder eine Wanze versteckt. Justus war erleichtert. Doch die Erleichterung hielt nicht lange an. Er musste ungesehen das Haus verlassen, um an ein Telefon zu kommen. In New York war es schon später, da die Stadt in einer anderen Zeitzone lag. Es war sicherlich niemand mehr in der Universität, den er anrufen konnte. Aber Justus hatte sich bereits einen anderen Plan zurechtgelegt. Dabei durfte er nur nichts übersehen. Es war anzunehmen, dass Moriarty das Schrottplatzgelände überwachen ließ. Die kleinen Wanzen hatten keine große Reichweite. Zum Abhören musste man sich also in der Nähe befinden.
Justus schrieb einen kleinen Zettel für Tante Mathilda und legte ihn auf sein Bett – für den Fall, dass sie nach ihm sah. Dann verließ er sein Zimmer und ging zu einer Dachkammer, in der Tante Mathilda ihr Bügelbrett und andere Haushaltsutensilien aufbewahrte. Hier gab es ein kleines Fenster, von dem aus Justus als Kind manchmal in einen Baum geklettert war. Der Erste Detektiv hoffte inständig, dass er noch immer durch das Fenster passte – und dass der Baum ihn tragen würde. Er schob den Rahmen hoch und sah hinaus. Es war bereits dunkel. Zum Glück war das schmale Stück zwischen dem Schrottplatzzaun und dem Haus nicht beleuchtet. Justus würde ungesehen am Baum hinunterklettern und durch eine der losen Zaunplanken aufs Nachbargrundstück schleichen können. Doch zuvor musste er überhaupt auf den Baum kommen! Justus mochte nicht nach unten sehen. Er war nicht wirklich schwindelfrei. War der Baum schon immer so hoch gewesen? Seine Finger tasteten nach den Ästen. Dann zwängte er sich durch die enge Luke hindurch. Wie gut, dass er gerade wieder eine seiner schlankeren Phasen hatte. Nun, zumindest keine von den ganz übergewichtigen Phasen. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch begann er mit dem Abstieg. Am liebsten hätte er dabei die Augen geschlossen. Mit Grausen dachte er daran, dass er den Baum später auch wieder hinaufklettern musste. Doch diesen Gedanken wollte er zunächst lieber verdrängen.
Als er endlich den Boden unter seinen Füßen spürte, war er erleichtert. Jetzt musste er nur noch das Gelände verlassen. Das war deutlich leichter, als einen Baum hinabzuklettern. Abgesehen von den zwei Geheimtoren der drei ???, die von der Straße auf den Schrottplatz führten, gab es noch eine weitere undichte Stelle im Zaun. Sie lag hinter einer Hibiskushecke und führte aufs Nachbargrundstück. Justus schob die Bretter beiseite. Im Schutz der Dunkelheit schlich er durch ein paar Gärten, bis er zu der kleinen Straße kam, die hinter dem Schrottplatz entlangführte. Weit und breit war kein Auto zu sehen. Falls der Schrottplatz bewacht wurde, war er ungesehen entwischt. Zum ersten Mal an diesem Tag verspürte Justus so etwas wie gute Laune. Mit zügigen Schritten schlug er den Weg Richtung Meer ein. Von hier aus konnte er zu Fuß eine Bar erreichen, die zwei eindeutige Vorteile hatte: eine Hintertür und ein Münztelefon. Außerdem war das Treasure Chest eine Bar, in der Moriarty ihn ganz sicher nicht vermutete, denn im Treasure Chest gab es Ausweiskontrolle. Schon allein deshalb, weil rund um die Uhr Alkohol ausgeschenkt wurde. Justus kannte die Räumlichkeiten jedoch trotzdem, da der Inhaber Onkel Titus alte Tische und Barhocker verkauft hatte und Justus die Möbel abholen musste. Ein wenig wehmütig erinnerte sich Justus daran, dass die beiden irischen Helfer vom Schrottplatz hier früher das eine oder andere Feierabendbier getrunken hatten.
Der Erste Detektiv kletterte über einen niedrigen Zaun und schlich geduckt über den Hinterhof der Bar. Von drinnen tönten ihm die Bässe von einem Joe-Cocker-Lied entgegen. Justus ging zu der Metalltür, die auf den Flur mit den Toiletten und dem Getränkelager führte. Sie war nicht verschlossen. Rauchige Luft schlug ihm entgegen. Im Schankraum wurde geklatscht. Anscheinend gab es auf der kleinen Bühne ein Liveprogramm. Umso besser! Niemand achtete auf Justus, der sich hinter einem Garderobenständer versteckte. Von hier aus konnte er unauffällig das Telefon bedienen, das in einer kleinen Nische an der Wand hing. Justus kramte ein paar Münzen aus seiner Hosentasche, dann griff er mit
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