Botschaft des Schreckens
sie mir bis zur nächsten verschlossenen Tür vorausging, dachte ich, wie seltsam es war, daß alle diese Türen geschlossen waren. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, sagte Dona Isabella würdevoll: »Der persönliche Bereich ist uns allen heilig, deswegen gibt es überall verschlossene Türen und dicke Mauern.« Plötzlich zögerte sie und sah mich unsicher an. »Es muß doch einen wichtigen Grund gegeben haben, daß Pedro die Tore der Hacienda Montera für Sie öffnete. No es verdad!«
»Verdad«, stimmte ich zu, erfreut über mein neues spanisches Wort.
Verwirrt fuhr sie sich mit der Hand über die Stirn. Dann murmelte sie entschuldigend: »Er scheint mir entfallen zu sein, Señorita. Wären Sie so gut, mir den Grund zu sagen? Warum hat Pedro…?«
Die Arme, dachte ich. Miguel hat recht. Ihre Gedanken geraten ihr außer Kontrolle, selbst wenn sie zeitweise völlig klar ist. »Natürlich«, sagte ich. »Erinnern Sie sich denn nicht? Father Vala schickte mich.«
»Oh? Das ist die Erklärung! Wenn er ein guter Freund von Ihnen war, dann mußte Pedro Sie einlassen.«
»Nein, Dona Isabella. Er war kein Freund von mir. Er sandte mich nur mit einer Botschaft hierher.«
Abuela nickte. »Das ist seine Art. Er ist immer so bemüht.« Und mit noch ratloserer Miene flüsterte sie: »Wie lautete die Botschaft?«
Es hatte wohl keinen Zweck, es ihr zu erklären, ehe ihr Sinn wieder klar wurde. Ich sagte: »Machen Sie sich keine Gedanken, es wird Ihnen bald wieder einfallen. In Ihrem Alter wird man ein wenig vergeßlich.«
Sie nickte wieder. »Si, Miguel macht sich manchmal darüber lustig, aber in Wirklichkeit ist er besorgt. Carlos und Antonio auch. Ich möchte nicht… Es geschieht nicht absichtlich – nur…« Sie unterbrach sich, um dann hinzuzufügen: »Aber es geht so schnell vorüber, wie es kommt, da haben Sie recht. Dennoch, ich glaube nicht, daß es jemals so schlimm war wie heute morgen… Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir Ihren Namen zu sagen?«
»Ich bin Sally Terrill«, sagte ich mitleiderfüllt.
»Si, Señorita Terrill. Gracias. Ich werde das nicht noch einmal fragen. Sich des Namens eines Gastes auf der Hacienda Montera nicht zu erinnern, ist unhöflich.«
»Aber fragen Sie nur«, sagte ich mit aufmunterndem Lächeln.
»Danke«, sagte sie voll Erleichterung. »Sally… si, das ist Ihr Vorname… Aber gehen Sie weiter…«
Sally. Seltsam, es hatte nichts zu bedeuten. Wichtig war nur, daß ich dieses Haus sobald wie möglich verlassen konnte. Dennoch – das Wort hatte einen warmen Klang in diesen alten Mauern.
Wir durchschritten vielleicht fünf der strengen, weiß gekalkten Räume mit ihren dunklen vigas, den unvermeidlichen Truhen, aber ich wünschte so sehr, woanders zu sein, daß sie mir endlos vorkamen. Dennoch bemerkte ich einen Unterschied in diesem älteren Teil des Hauses. Das Mobiliar war hier leichter, und statt der Sofas wie in der großen sala gab es etwas wie Bänke zu beiden Seiten, die bedeckt waren mit schönen, alten Stoffen, deren Rot, Gold und Grün der Düsternis ein wenig Farbe gab.
»Das sind bancos aus Ziegeln«, sagte Dona Isabella. »Dieser Teil unserer Hacienda wurde nicht lang nach der Gründung von ›La Villa Real de la Santa Fe de San Francisco de Assisi‹, unserer Königlichen Stadt, erbaut. Seine Allerchristlichste Majestät, König Philipp III. war Inhaber des spanischen Thrones… Es war eine stolze Zeit, aber unsere Stadt war damals ein Vorposten – weit weg vom alten Mexico. Selbst die Reichen hatten nicht jeden Luxus. Sie mußten auf einheimische Schnitzerei und Weberei zurückgreifen. Möbel gab es wenig, und so hatte man diese bancos statt Stühlen.
Für eine Schwiegertochter erstellte man gewöhnlich einen Anbau ans Haus«, erklärte sie weiter. »Die eigenen Töchter zogen auf andere Haciendas. Als ich hierher kam, war meine Schwiegermutter schon tot. Mein Mann war der einzige Sohn. Deshalb begann ich meine Ehe hier in den Gemächern meiner Schwiegermutter.«
Sie wies mit der Hand auf einen der bancos. »Setzen Sie sich. Ich muß Ihnen erzählen… Diese Hacienda wurde im frühen siebzehnten Jahrhundert erbaut, aber die Monteras kamen schon vorher nach New Mexico. Einer mit Coronado, ein anderer später mit Juan de Onate. Wenn ich Sorgen habe, dann kann ich nachts manchmal nicht schlafen… Und dann schaue ich hinaus. Und ich sehe sie: Die Conquistadores in ihren blitzenden Rüstungen. Sie reiten auf schönen
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