Botschaft des Schreckens
Handtasche. Die Polizei überwachte die Gegend, hatte Don Carlos gesagt, vermutlich also auch den Seitenweg, der hier heraufführte. Auf dem Weg hinunter konnte also wohl nichts passieren. Und die »Gilas« hatten mich nie gesehen. Ich würde mir ein Motel suchen, unter falschem Namen ein Zimmer nehmen und dann den ganzen Alptraum vergessen. Ein Gefühl der Einsamkeit überkam mich, als ich an Bobs verschlossenes Haus dachte, aber ich bemühte mich, mir das Wiedersehen auszumalen, als ich den langen Korridor hinunterging.
Fast hatte ich erwartet, wieder erregte Männerstimmen zu hören, aber es war ganz still. Nur das Hallen meiner Schritte war zu vernehmen.
Auf der Schwelle des Eßzimmers blieb ich stehen. Es war nicht so leer, wie es der tiefen Stille nach hätte sein müssen. Nicht nur die Monteras waren versammelt, auch alle Bediensteten waren da.
Die Monteras bemerkten mich nicht. Sie mußten mich erwartet haben, doch galt ihre Aufmerksamkeit jetzt den Bediensteten am anderen Ende des Raumes. Joe, der mexikanische Gärtner, schien etwas in der Hand zu halten, was alle sehr interessierte. Ich konnte nicht sehen, was es war; die schmalen Fenster waren für einen so großen Raum zu klein und ließen nur wenig Licht herein. »Ist… ist etwas?« fragte ich.
Die Monteras fuhren herum, als hätten sie alles eher erwartet als mich. Das Personal starrte mich an, als sei ich eine Erscheinung. Dann stand Carlos auf, wie am Abend vorher, und trat auf mich zu.
»Buenos dias, Señorita«, murmelte er. »Kommen Sie, kommen Sie… setzen Sie sich. Wie Sie sehen, haben wir Sie erwartet. Allerdings«, – er holte tief Atem, während er mich zu dem langen Tisch geleitete –, »fürchte ich, daß wir alle jetzt einen starken Kaffee brauchen.«
»Aber was ist denn? So sprechen Sie doch!« drängte ich. Carlos zögerte. Er hatte wohl nicht die Absicht, unhöflich zu sein, wollte es mir aber anscheinend nicht sagen. Beunruhigt sah ich erst Miguel, dann Antonio an, aber die schwiegen.
Dona Isabella sah aus, als sei sie über Nacht beträchtlich gealtert. Seltsamerweise war sie es, die jetzt sprach. »Meine Enkel scheuen sich, Ihnen zu antworten, Señorita Terrill. Aber wir dürfen Ihnen das nicht verheimlichen. Joe« – sie gab dem Gärtner einen Wink – »bitte zeigen Sie der Señorita, was sie draußen gefunden haben.«
Ich weiß nicht, was eher kam: Das Erkennen… oder der Aufschrei, den ich nicht unterdrücken konnte. Denn jetzt sah ich, was der Gärtner in der Hand hielt: Meinen verknitterten, blauen Mantel!
Meine Knie drohten nachzugeben, und ich war froh, daß Carlos mich zu meinem Stuhl geleitete. »Sie brachten ihn hierher?« würgte ich hervor. »Aber ich hoffte doch…«
»Daß die Bande Santa Fe verlassen hat?« führte Carlos den Satz für mich zu Ende. »Das ist, was wir alle hofften. Wir waren so sicher, daß sie sich einige Zeit verkriechen würden…«
Er sprach nicht zu Ende. Unwillig bedeutete er dem Gärtner, den Mantel hinauszutragen, und gab Rosa ein Zeichen, das Frühstück zu bringen. Aber wir alle wußten, daß sein Ärger nicht diesen beiden galt. Er galt der Bande, die sich offenbar durch nichts einschüchtern ließ. Die Hacienda zu einem späteren Zeitpunkt anzugreifen, schien ihr nicht zu genügen. Sie mußte uns schon jetzt auf diese freche Art herausfordern!
Uns? Nein, mich. Der Mantel war eine Botschaft für mich, nicht für die Monteras. Ja, sie würden auf den richtigen Augenblick warten, um diese Hacienda anzugreifen. Der Mantel aber sollte mich in Schrecken versetzen. Die Monteras besaßen die Schätze, auf welche die »Gilas« ihr Auge geworfen hatten. Aber ich – die junge Frau, deren Name auf der Landkarte in der Tasche des blauen Mantels stand – ich war es, die ihnen die Polizei auf den Hals gehetzt hatte. Und ich hatte sie gesehen, als sie am Abend zuvor aus den Bergen gekommen waren.
»Wo hat der Gärtner meinen Mantel gefunden?« fragte ich. Es muß der Beiklang von Hysterie in meiner Stimme gewesen sein, der Dona Isabella veranlaßte, kategorisch zu sagen: »Keine Fragen und keine Antworten mehr. Jetzt kommt das Frühstück. Rosa wird es gleich bringen.«
Als hätte Rosa die Worte gehört, erschien sie gleich darauf mit Rührei und Schinken. Teresa folgte mit Toast und Butter, während der alte Pedro als letzter eine große silberne Kanne mit heißem Kaffee brachte. Die Tafel war ebenso reich gedeckt wie am Abend zuvor. Silber… überall Silber! Wenn diese Leute
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