Botschaft des Schreckens
verbringt?«
»Träume«, antwortete Dona Isabella erstaunlich prompt, »Träume sind etwas für junge Leute. Aus meinen ›Luftschlössern‹ ist die Hacienda Montera geworden. Und mehr brauche ich nicht.« Einen langen Moment sah sie Carlos an, dann Antonio und Miguel, und schließlich mich.
Endlich sagte sie langsam: »Da uns Ihre Sicherheit am Herzen liegt – genau wie Ihnen die unsere –, muß ich meinen Enkeln zustimmen. Bleiben Sie, bis es Zeit für Sie wird, Santa Fee zu verlassen. Verfügen Sie über die Hacienda.«
Seltsam, wie leer das klang. Mir schien, daß die alte Dame froh war, hier Gesellschaft zu haben; daß nur noch wenige Gäste kamen, hatte sie mir ja erzählt. Antonio und Miguel hatten unten in der Stadt ihre »gringas«. Was aber, wenn Carlos seine große Liebe für Dolores vergaß? War es das, was sie fürchtete?
Don Carlos, das Oberhaupt der Hacienda Montera… Nein, das war undenkbar!
Trotz alledem, ich mußte die lauwarme Einladung annehmen. »Ich danke Ihnen«, sagte ich steif. »Meine Sachen lasse ich gepackt. Wer weiß, vielleicht ergibt sich schon morgen…«
Als wir uns von der Tafel erhoben, sagte Dona Isabella mit einem Blick zu Carlos: »Nachdem wir Señorita Terrill unterhalten müssen, so gut es unter diesen Umständen geht, dachte ich, ich würde ihr die Hacienda zeigen… Meine Zimmer vielleicht als erstes.«
»Aber Sie brauchen doch nicht… Bitte, es ist nicht nötig…« Wieder antwortete ich zu impulsiv, wie am Abend vorher vor unserem Besuch bei Dolores. Wieder hatte ich das Gefühl, als streckte die Vergangenheit die Hand nach uns aus und hinderte uns, der augenblicklich drohenden Gefahr zu begegnen.
Carlos wischte meine Einwände mit einer Handbewegung beiseite. »Einem Gast – mehr noch einem Freund gegenüber haben wir eine Verpflichtung. Da wir Ihnen im Augenblick hier nicht viel bieten können, müssen wir Zumindest das Mögliche tun. Die Hacienda Montera hat eine alte und interessante Geschichte.«
»Aber ich interessiere mich nicht für ihr Alter oder ihre Geschichte«, hätte ich am liebsten geschrien. »Haben Sie schon vergessen… Mein Mantel wurde heute nacht über die Mauer geworfen… Ich kann an nichts anderes denken! Und auch Sie… auch Sie sind bedroht! O Gott, liegt auf dieser Hacienda ein Fluch, der Sie daran hindert, sich gegen das zu wappnen, was sie zerstören will?«
Aber ich schwieg.
»Kann ich Señorita Terrill nicht meine Schals zeigen, Carlos?« wollte Abuela wissen. »Niemand erfährt es; durch diese Mauern kann niemand sehen.« Und Carlos antwortete: »Si, aber vergiß nicht, querida, nur die Schals.«
6
Von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet, ging mir Dona Isabella lautlos wie ein Schatten voraus. Einmal wandte sie sich unvermittelt um und flüsterte mir zu: »Kommen Sie – hier werden wir alles vergessen, Señorita. Alle unsere Sorgen.«
Beinahe hätte ich ihr geantwortet, daß es dazu mehr bedürfe, aber ich tat es nicht. Denn als sie die schweren Türen hinter uns schloß, hatte ich das unheimliche Gefühl, daß eben ein Schleier gefallen sei zwischen der häßlichen Gegenwart und dem Frieden, der hier wie in einem Heiligtum herrschte. Denn wenn auch der Rest der Hacienda schon alt war – hier trug alles in noch viel stärkerem Maße den Stempel der Vergangenheit.
Ich konnte verstehen, daß Abuela diesem Zauber erlag, den auch ich verspürte. Dennoch – ich wußte, daß dies ein falsches Heiligtum war. Falsch… und furchtbar gefährlich! »Fort von hier«, warnte mich eine innere Stimme. »Widerrufe dein Einverständnis… Verletze ihre Gefühle… Aber bleibe nicht länger hier. Lauf zurück in dein Zimmer… Versuche, einen Ausweg aus dieser Falle zu finden… Und denk an Father Valas letzte Worte… Immer und immer wieder… Vielleicht flüstert der Tote dir doch noch die Namen der Mörder zu.«
Rückblickend frage ich mich, wieviel es geändert hätte, wäre ich dieser inneren Stimme gefolgt. Hätte mir das einen Teil der späteren Schrecken erspart? Ich weiß es immer noch nicht und werde es niemals wissen. Jedenfalls freute sich Dona Isabella so sehr, mir diesen Teil der Hacienda zeigen zu können, daß ich nicht den Mut aufbrachte, sie zu enttäuschen. Ich hörte mich nur flüstern: »Allzulange dürfen wir aber nicht bleiben.«
»Nein, nein«, versprach sie. »Kommen Sie, ich muß Ihnen so viel zeigen. Wenn Sie diesen ältesten Teil gesehen haben, werden wir uns darüber unterhalten.«
Während
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