Botschaft des Schreckens
Pferden und tragen die königlichen Farben Spaniens.«
Abuelas dunkle Augen funkelten vor Erregung. »Es ist so wirklich, Señorita! Ich höre die Waffen klirren… Ich höre das Knarren der mit ihrer Habe beladenen carretas… Und sie kommen, um ein neues Königreich zu erobern für Seine Majestät. Schauen Sie nur hinaus! Manchmal, wenn die ganze Welt schläft… Dann werden auch Sie es sehen!«
Ich starrte sie an. Für sie waren die Nebel vergangener Zeiten Realität. Und die »Gilas« gehörten nicht der Wirklichkeit an. O Gott, konnte so etwas auch anderen… konnte es mir passieren?
»Dona Isabella«, sagte ich scharf. »Sie haben nicht gelebt in der Zeit, das wissen Sie. Sie haben nur in Büchern darüber gelesen.«
Sie lächelte. »Da haben Sie recht. Aber an den langen Winterabenden, wenn der Wind den Schnee von den Sangre de Cristos herunterweht, da werden in der Hacienda die alten Geschichten erzählt, immer und immer wieder. Die alten Bäume flüstern sie Ihnen zu, Sie müssen nur hinhören…«
»Nein.« Abrupt stand ich auf. »Ich habe anderes zu tun, als den Bäumen zuzuhören. Wenn Sic die Gefahr vergessen wollen, in der wir schweben – glauben Sie mir, ich nicht! Und jetzt müssen wir, glaube ich, gehen. In diesen Räumen ist etwas, das…«
»Das was?« unterbrach sie mich. »Nein, Sie brauchen sich hier nicht zu fürchten. Carlos kann Ihnen das sagen. Sehen Sie, was vorbei zu sein scheint, ist niemals vorbei. Er weiß, daß seine geliebte Dolores noch hier ist.«
Mir schnürte es die Kehle zu. »Sie meinen, er ist mit einer toten Frau zufrieden – Sie erwarten das? Aber er ist ein Mann – und noch jung!« Verlegen, als hätte ich etwas Unpassendes gesagt, verstummte ich. Schließlich ging mich das alles nichts an.
»Und auch sehr gut aussehend?« ergänzte mich Abuela mit einem hintergründigen Lächeln.
Ich starrte sie an. »Natürlich, das ist er. Mir persönlich sind allerdings blonde Männer lieber.«
Meine unumwundene Antwort schien sie zufriedenzustellen. »Ich bin froh«, sagte sie ruhig. »Ich wäre traurig, wenn Sie sich in Carlos verlieben sollten, denn er kann die Liebe keiner anderen Frau mehr erwidern.«
»Das glaube ich nicht, Dona Isabella. Aber da Sie so aufrichtig sind, will ich auch aufrichtig zu Ihnen sein. Don Carlos’ Liebesleben steht im Augenblick auf meiner Sorgenliste ganz unten. Und ich habe keinerlei Absicht, mit ihm zu flirten. Das gilt auch für Don Antonio und Don Miguel.«
»Der Flirt war eine Kunst in meinen Tagen«, entgegnete Abuela kühl. »Schade, daß diese Kunst heute so völlig vergessen ist. Die ganze Sprache der Liebe konnten wir mit einem Fächer ausdrücken…«
»Nun«, erwiderte ich, mich mühsam in Zaum haltend, »an Fächern mangelt es mir vielleicht, das muß ich zugeben…«
Beide hatten wir nicht gehört, daß die Tür sich öffnete. Wir schraken zusammen, als eine tiefe Stimme sagte: »Was soll denn dieses Gerede von Flirt? Kaum läßt man euch ein paar Minuten allein, dann…«
»Carlos!« rief Dona Isabella. »Was tust du hier?«
Carlos zuckte die Achseln. »Was meinst du denn? Ich dachte, hier gibt es alte spanische Schals zu sehen. Oder«, fuhr er in gespielter Betroffenheit fort, »komme ich schon zu spät?«
»Nein, keineswegs«, sagte Dona Isabella in wenig freundlichem Ton. »Aber warum bist du nicht bei Antonio und Miguel? Ihr habt doch etwas anderes zu tun als euch Schals anzusehen?«
»Ich bin eine ganze Weile mit ihnen beisammengewesen«, entgegnete er amüsiert, »und wir haben alles getan, was wir tun können, das heißt, Kontakt mit der Polizei gehalten. Jetzt möchte ich also gern Schals sehen.«
Betreten fragte ich mich, wie lange Carlos wohl schon gelauscht haben mochte. Aber da er guter Stimmung zu sein schien, nahm ich an, daß er vielleicht nur die letzten Worte gehört hatte. Daß er die Polizei erwähnte, verdrängte jedenfalls alles andere aus meinen Gedanken. »Was sagte sie über meinen Mantel?« fragte ich rasch. »Sie haben doch gemeldet…«
Seine Miene verdüsterte sich. »Ja, Señorita. Sofort nach dem Frühstück. Beamte sind jetzt dabei, die Wege ober- und unterhalb der Hacienda zu kontrollieren. Und auch die Polizei hat Anweisung gegeben: Bis diese Verbrecher gefunden sind, müssen Sie hier auf der Hacienda Montera bleiben.«
Sie müssen hier bleiben. Mehr denn je schien mir dieser alte Bau zum Gefängnis geworden zu sein. Es war, als sei ich – hier eingesperrt –
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